Bernhard Paumgartner Kritik zu Prolegomena

Vom Idealbild einer musischen Persönlichkeit

 


 

Zur Brauchbarkeit der Prolegomena Bernhard Paumgartners für die
Schulprofildiskussion am Musischen Gymnasium
Eine (späte) Analyse des sogenannten Gründungsdokumentes*

(Abgedruckt im Jahresbericht des Musischen Gymnasium 1996/97; S.22ff) 

 


Inhaltsverzeichnis

  1. Die derzeitige Schulprofildiskussion
    1. 1. Rückbesinnung auf das „Gründungsdokument“
    1. 2. Österreichweite Profilarbeit
    1. 3. Die Prolegomena im Meinungsstreit
    1. 4. Die Prolegomena als ein Essay mit einem kulturphilosophischen und kulturpolitischen Rahmen
    1. 4.1. Rezeptionsprobleme
  2. Ideologiekritische Analyse der Prolegomena
    2. 1. Elitäres Menschen- und Künstlerbild
    2. 1. 1. Einseitig idealistisches Geschichtsverständnis
    2. 1.2. Paumgartners Beziehung zum Nationalsozialismus; die Jahre 1938 – 1945
    2. 2. Auswirkungen auf Paumgartners Konzept der musischen Erziehung
  3. Ist Bernhard Paumgartner der „geistige Vater“ des Musischen Gymnasiums?
  4. Untauglichkeit der abstrakten Zielangaben für die Arbeit auf der Ebene konkreter Lehrinhaltsfragen
  5. Ergänzungen und Richtigstellungen zur Gründungsgeschichte
  6. Ausblick: Zur Bildungszielphilosophie des Humanistischen Gymnasiums
  7. Anhang: „Normalfassung“ der Prolegomena von Bernhard Paumgartner


1. Die derzeitige Schulprofildiskussion

1.1. Rückbesinnung auf das „Gründungsdokument“

Bernhard Paumgartner gilt nach dem herrschenden Schulgeschichtsverständnis als der „geistige Vater“ des Musischen Gymnasiums und seine berühmten Prolegomena aus dem Jahre 1959 werden als eine Art Gründungsdokument angesehen.[1] Und auch heute, da es gilt, der interessierten und orientierungsbedürftigen Schulöffentlichkeit ein aussagekräftiges und den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts angepasstes Schulprofil vorzustellen bzw. den Entwicklungsstand dieser Arbeit zu dokumentieren, fällt sein Name. Auf ihn soll man sich zurückbesinnen und an seinen richtungsweisenden Vorstellungen müsse Maß genommen werden.

1.2. Österreichweite Profilarbeit

Unsere Schule besitzt durch die Ausformung als musisches Gymnasium bzw. die mit allen Sinnen spürbare Ausstrahlung der Unterrichtsarbeit nach außen ein Profil, das als ausreichend akzentuiert und bekannt gelten darf. Nachdem aber ein offizielles und schriftliches Schulprofil nicht existiert – der Gesetzgeber belässt es ja bei der dürren Formel des „Gymnasiums mit besonderer Berücksichtigung der musischen Ausbildung“ – und sich natürlich auch unsere Schule vor den großen Veränderungen (Beitritt Österreichs zur EU; Globalisierung der Wirtschaft, Massenarbeitslosigkeit, Friedenssicherung usf. ) nicht verschließen darf und sich diesen Herausforderungen stellen muss, ist ein Team von Kolleginnen und Kollegen mit der Ausarbeitung eines in der angegebenen Hinsicht nachgebesserten Schulprofils befasst. Solche Profildiskussionen finden übrigens zur Zeit nicht nur an unserer Schule statt, sondern an vielen AHS in Österreich. Die Auflösung der althergebrachten Schultypologie, eine gewisse inhaltliche Angleichung aller AHS-Unterstufen und die aus der neuen Schulautonomie und der Oberstufenreform folgenden Gestaltungs- und Differenzierungsmöglichkeiten haben zu einem Orientierungsbedürfnis der Öffentlichkeit hinsichtlich der bereits durchgeführten oder angestrebten Akzentuierung geführt. In letzter Zeit vorgelegte Schulprofile sind demnach auch Folge der an die Schulbasis weitergereichten Autonomie bzw. deren Dokumentation.[2]

1.3. Die Prolegomena im Meinungsstreit

Ziel meines Beitrages ist es nun, die Brauchbarkeit der Prolegomena von B. Paumgartner für die Arbeit an unserem Schulprofil zu analysieren. Es versteht sich von selbst, dass dabei Werte aus dem Bereich der Grundnorm des österreichischen Schulrechts (§ 2 SchOG) ins Spiel kommen, an denen Paumgartners Vorstellungen gemessen werden bzw. die meiner Meinung nach die Profilinhalte bestimmen sollten.

Weil ich es als nicht bekannt voraussetzen kann, darf ich eingangs festhalten, dass die Urteile über die Qualität von Paumgartners Ausführungen divergieren. Einerseits wird der Text wegen der Modernität des musischen Konzeptes geschätzt. Nach dieser Ansicht ist der Text gehaltvoll und der Zusammenhang zwischen diesem „Gründungsdokument“ und der errichteten Schule selbstverständlich. Andererseits wird die inhaltliche Güte (allerdings von nur wenigen) bezweifelt; und dies nicht, weil die Sprache Paumgartners – nach mehr als drei Jahrzehnten verständlich – veraltet ist. Auch die „geistige Vaterschaft“ Paumgartners für das Musische Gymnasium kann nach dieser Meinung nicht aufrecht bleiben.

Die oben angesprochene Divergenz ist vermutlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Wertschätzung des Textes von den Gründungsvätern an die Kollegenschaft weitergereicht bzw. von dieser ungeprüft übernommen worden ist. Ich gehe davon aus, dass die Prolegomena in den letzten dreißig Jahren nur von wenigen gelesen und auf ihren Gehalt geprüft worden sind. Der Text ist nicht leicht zu verstehen. Das liegt zum einen an dem Pathos von Paumgartners Vortrag und zum anderen – damit zusammenhängend – an der nicht eben übersichtlichen Gliederung. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich unter solchen Rezeptionsbedingungen beeindruckende Lesefrüchte einstellen, die aber, weil aus dem Zusammenhang gerissen, ein falsches Bild von Paumgartners Konzept ergeben.

1.4. Die Prolegomena als ein Essay mit einem kulturphilosophischen und kulturpolitischen Rahmen

Wer Paumgartners Konzept nachvollziehen will, muss hinter den vom Pathos oft verbogenen Passagen erst den roten Faden aufspüren, Ordnung herstellen und eine Transkription in ein weniger aufgeregtes Normaldeutsch vornehmen. Wenn man dies tut, entdeckt man, dass Paumgartner in diesen „Erlesenen Worten“ (denn dies ist die Übersetzung des griechischen Wortes Prolegomena) mehr tut, als seine pädagogischen Vorstellungen zu einem Reformgymnasium zu klären. Er äußert sie nämlich im Rahmen von kulturphilosophischen und zeitgeschichtlichen Feststellungen und Reflexionen, insbesondere solchen über die Funktion des Künstlers in der Gesellschaft. Wir erfahren seine Ansicht über die Voraussetzungen des Staatswohls, wobei der Künstler eine wichtige Rolle zu spielen habe oder erfahren, warum es nach Ansicht Paumgartners in der Zivilisationsgeschichte der Menschheit zu den „Rückschlägen“ des Dritten Reiches gekommen ist. Diese kulturphilosophische und -politische Basis bzw. die sie tragenden Werte, auf denen Paumgartner sein Konzept der musischen Erziehung errichtet, sind meiner Meinung nach mit den Grundwerten einer demokratischen Republik und einem daran ausgerichteten Schulsystem schwerlich vereinbar.

1.4.1. Rezeptionsprobleme

Im Anhang können die Prolegomena Paumgartners in einer verständlichen „Normalform“ nachgelesen werden. Dabei kann man durch einen Vergleich mit dem Original nachprüfen, ob der Essay tatsächlich die von mir behauptete bedenkliche Ausrichtung hat. Diese Übertragung ist aus den oben angeführten Gründen erforderlich. Natürlich ist damit wie bei jeder Übersetzung die Gefahr gegeben, damit den Inhalt falsch zu interpretieren. Wer an der Angemessenheit meiner Übertragung zweifelt, möge auf den Originaltext zurückgreifen. Ich habe den Originaltext Paumgartners so weit wie möglich beibehalten; eingegriffen habe ich in den Aufbau seines Essays. Hier habe ich die über den gesamten Text verstreuten Elemente so zusammengestellt, dass sein Gesamtkonzept besser erkennbar wird und nachvollzogen werden kann. Nicht aufgenommen in meine Übersetzung sind die breit ausgeführten Ressentiments gegenüber den Realbildungsanstalten (Realgymnasium und Realschule), denen die Fähigkeit abgesprochen wird, höhere Bildung zu vermitteln, und die fast ins Metaphysische überhöhten Ängste gegenüber der Technik bzw. den Auswirkungen der „Technisierung des Maschinenzeitalters“. Sie wären eine eigene Untersuchung wert und spiegeln auch in dieser Hinsicht die antimodernistische Grundeinstellung Paumgartners wider.

2. Ideologiekritische Analyse der Prolegomena

2.1. Elitäres Menschen- und Künstlerbild

Im Zentrum seines Essays steht nicht der musische Schüler. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt vielmehr von Anfang an dem jungen Künstler. Seine kulturgeschichtlichen und kulturpolitischen Exkurse haben ihren Grund in der Sorge und dem Bemühen um eine humanistisch-musische Erziehung des Künstlernachwuchses an einer speziellen Bildungsanstalt, damit dieser den hohen Aufgaben, die Paumgartner für diesen später vorgesehen hat, gerecht werden kann. Nach Bernhard Paumgartner kommt – in Anlehnung an Platons Königs-Philosophen-Satz und an die von ihm ausdrücklich zitierte Staatsfabel von Menenius Agrippa – den Künstlern neben den Staatsmännern, Politikern und Generälen die Führungsrolle im Staat zu. Legitimiert sieht er den Künstler dazu, weil dieser auf der Basis eines überlegenen Bildungsniveaus über einen kritischen Geist verfügt, neben den Geisteswissenschaftlern die Kultur erhält und die Menschen lehrt, den Sinn des Lebens nicht nur im Erwerb von materiellen Gütern und der Befriedigung vitalster Bedürfnisse zu erblicken, weil der Künstler also den Menschen über das Niveau der Termiten (Originalton Paumgartner) hinausführt.[3]

2.1.1. Einseitig idealistisches Geschichtsverständnis

Aus diesem elitären Menschenbild, das um die Opposition von den „wenigen Begabten“ und den „vielen Termiten“ aufgebaut ist, folgt ein entsprechendes Geschichtsverständnis. Geschichte wird nach Paumgartner von den großen Persönlichkeiten gemacht und ist in erster Linie Geistesgeschichte. Die Entstehung des (nicht beim Namen genannten) Nationalsozialismus erklärt sich Paumgartner durch die Tatsache, dass das humanistische Gymnasium ab der Jahrhunderwende in Verruf gekommen wäre.[4] Seinem Geschichtskonzept folgend registriert er im Rückblick auf „unsere jahrtausendealte Gewordenheit“ „allen Rückschlägen zum Trotz“ (gemeint sind die Jahre 1938-1945) immer noch eine „inhärente Humanität“. Darunter meint er nicht etwa die Fähigkeit des Österreichers zu einer kritischen Aufarbeitung dieser Jahre, insbesondere auch der Rolle der Künstler im Dritten Reich, also die Überprüfung des von ihm den Künstlern zugeordneten kritischen Geistes[5], sondern schlicht den Bestand eines nationalen Kulturerbes. Durch Rückbesinnung auf diese Werte bzw. den beschleunigten Aufbau einer neuen identitätsstiftenden Marke, der Kulturnation Österreich, könne Österreich aus seiner „armselig gewordenen politischen Existenz“ herausfinden.[6] Angesichts der vom Nationalsozialismus zu verantwortenden ungeheuren Greuel sind die „Rückschläge“, die sich Paumgartner immerhin noch abringt, mehr als eine schreckliche Verharmlosung.

2.1.2. Paumgartners Beziehung zum Nationalsozialismus; die Jahre 1938 – 1945

Vielleicht hat die gerade an dieser Stelle jeden konkreten Bezug vermeidende barocke Rhetorik mit Paumgartners eigener Position zum Nationalsozialismus zu tun, die so distanziert nicht gewesen ist, wie er selbst es wahrhaben will. Seine Biographie ist in dieser Hinsicht geschönt und hat zur Legendenbildung von seinen Exiljahren in Italien und der Schweiz beigetragen.

Wenn ich im Folgenden auf die Rolle Paumgartners im Jahre 1938 eingehe, beziehe ich mich dabei auf die Abhandlung des Salzburger Historikers Gert Kerschbaumer: Begnadet für das Schöne. Der rot-weiß-rote Kulturkampf gegen die Moderne 1992.

Bernhard Paumgartner war im Jahre 1938 Direktor des Mozarteums und wurde nach dem Überfall der Hitler-Truppen am 12. März seines Postens enthoben. Paumgartner wehrte sich gegen seine Enlassung. Dabei dienten die NS-Vergangenheit seines Sohnes und dessen Mitgliedschaft bei der illegalen NSDAP der Entlastung. Seine Kräfte, so Paumgartner, gälten uneingeschränkt der deutschen Kulturarbeit. Was er darunter verstand, erläuterte er wenig später in einer Programmschrift zu den Salzburger Festspielen, in der er forderte, die Festspiele in deutsche Weihe- und Mozartspiele umzuwandeln, was implizit auf die Verbannung jüdischer Komponisten und Dirigenten hinauslief. Trotz seiner Anbiederung und der teilweisen Deckung seines Programmes mit dem der damaligen Machthaber wurde seine Entlassung nicht rückgängig gemacht. Kerschbaumer führt das (unter Angabe von Quellen) auf die nicht ausschließlich positive Beurteilung Paumgartners durch seine Bekannten und Kollegen zurück. Einer braunen Karriere stand die Verurteilung seines mangelhaften Charakters und des politischen Konjunkturverhaltens im Weg. Seine Aufnahme in die NSDAP scheiterte, weil ihm die Nationalsozialisten vorwarfen, zuerst mit den Roten, dann mit den Schwarzen paktiert zu haben. Bei Paumgartner handle es sich um einen politischen Konjunkturritter übelster Sorte.[7] Das Antichambrieren Paumgartners bei den Nationalsozialisten zeitigte insoferne Wirkung, als seine ehemaligen Freunde ihn nicht ganz fallen ließen und ihn mit einem Forschungsauftrag der Universität Wien nach Florenz schickten. Selbst die Schweiz stand ihm offen. So viel zu Paumgartners „Exiljahren“.

2.2. Auswirkungen auf Paumgartners Konzept der musischen Erziehung

An sich könnte man über die Verstrickungen Paumgartners im Zusammenhang mit seiner Karriere am Mozarteum nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hinweggehen, wenn er nicht zum Stifter unseres Musischen Gymnasiums stilisiert worden wäre, auf den immer wieder und gerade jetzt im Zusammenhang mit der Profildiskussion Bezug genommen wird, an dessen Idealen Maß zu nehmen wäre. Gewiss müssen in einem rationalen Diskurs Überlegungen unabhängig von ihrer Urheberschaft auf ihre Qualität geprüft und dürfen nicht deshalb verurteilt werden, weil ihr Autor eine bestimmte Weltanschauung vertritt. Die Prolegomena sind nicht deshalb abzulehnen, weil sich Paumgartner vergeblich den Nationalsozialisten angedient hat, sondern weil sein Künstler- und Bildungskonzept jede Bezugnahme auf die moralische Kategorie der Verantwortung vermissen lässt. Sie sind weiterhin abzulehnen, weil sich ein Zusammenhang zwischen seinem elitären Künstlerkonzept und einer verkürzten Wahrnehmung und Darstellung der gesellschaftlichen Totalität nicht ausschließen lässt.

Seine Künstler haben ein überlegenes Bildungsniveau, das per se zur Führerschaft berechtigt, die nicht weiter verantwortet werden muss. In einer beängstigenden Konsequenz ist denn auch, wie Paumgartner in einem themengleichen Aufsatz im selben Jahre[8] schreibt, der „bedeutende Künstler“ nicht dazu bestimmt, ein „ethisch auffallender Mensch“ sein zu müssen. Ist Paumgartners Vorstellung vom nur sich selbst verpflichteten Genie die Erklärung dafür, warum er auf die Rolle vieler seiner Musikerkollegen im Dritten Reich nicht eingeht?[9]

Sein Geschichtsbild und in der Folge das der Künstler, die in einem nach seinen Vorstellungen konzipierten musischen Gymnasium herangebildet werden, ist – höflich ausgedrückt – ein auf die Geistes- und Kulturgeschichte verkürztes. Hier äußert sich dieselbe Weltabgehobenheit wie schon bei seinem Künstlerkonzept. Wie denn Paumgartner überhaupt als ein apolitischer Mensch zu beurteilen ist, dessen Denken ausschließlich um Fragen der Kunst kreist. Die gesellschaftliche Totalität wird immer auf die enge Perspektive des Künstlers beschränkt. In seiner Autobiographie „Erinnerungen“ (Salzburg 1969) kommen gesellschaftspolitisch so bedeutsame Einschnitte wie der Erste Weltkrieg, die Geburt der demokratischen Republik, die Ausschaltung des Parlaments bzw. der autoritäre Ständestaat, die Jahre 1938 – 1945 in ihrer politischen Dimension praktisch nicht vor. Die von mir eingesehenen Texte zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Unempfindlichkeit gegenüber dem in Europa zur Zeit des Naziterrors allgegenwärtigen Leid aus. Was der Nationalsozialismus in ganz Europa verbrochen hat, hat Paumgartner während seiner Jahre in Florenz in seiner Beschränkung auf das Kulturell-Private, nämlich die Sichtung und Rettung österreichischen Notenmaterials, das mit der Herrschaft der Habsburger in der Toskana im 18. Jahrhundert nach Italien gekommen war[10], überhaupt nicht berührt.

Wenn Paumgartner denn von den den Lauf der Geschichte prägenden „Grundkräften“ (was er nicht weiter ausführt) spricht, gibt er durch die im selben Atemzug angeführten „großen Persönlichkeiten“ zu erkennen, welche in erster Linie ideellen Kräfte es sind, die seiner Meinung nach die Welt im Innersten zusammenhalten. Die von ihm im Geschichtsunterricht mit Recht verurteilte Akzentuierung der Geschichte als einer Abfolge von Schlachten darf nicht, wie er das vorschlägt, durch Geistes- und Kulturgeschichte ersetzt werden. Zu zeigen ist vielmehr, wie Kriege entstehen, wie sie verhindert werden können und unter welchen sozioökonomischen Rahmenbedingungen Kultur entsteht und auch (!) verantwortet werden kann.

Ob jemand ein politisch denkender Mensch ist oder nicht, ist grundsätzlich seine Privatsache. Anders steht es um einen Pädagogen, dessen um die Dimension des Politischen verkürztes Gesellschaftsbild auf ein Künstlerkonzept durchschlägt, in dem Künstler eine nicht weiter hinterfragte Führungsrolle zu übernehmen haben. Künster sind Menschen mit besonderen Begabungen, mit denen sie unter anderem, wie Paumgartner es ausdrückt, Menschen edle Freuden bereiten können.[11] Ihre Ansichten aber und Werthaltungen zu Kultur, Schule, Politik und Gesellschaft sind nicht deswegen schon richtig und verbindlich, weil sie aus Künstlermund stammen. Sie mögen besonders gut formuliert sein, mögen herzbetörend klingen und die Augen öffnen, die Qualität von Normen im Gesetzesrang haben sie in einer demokratisch verfassten Gesellschaft erst dann, wenn sie sich dem Wettbewerb mit anderen Ideen stellen und mehrheitsfähig werden.

3. Ist Bernhard Paumgartner der „geistige Vater“ des Musischen Gymnasiums?

Bernhard Paumgartner ist nicht der geistige Vater des Musischen Gymnasiums; weder in der Gestalt des 1966/67 eingerichteten Schulversuchs noch in seiner heutigen Ausformung. Die diesbezüglichen Behauptungen von G. Gareis[12], A. Degenhardt[13] oder im Beitrag von E. Hintermaier[14] , nach denen unser Gymnasium nach Ideen von B. Paumgartner entwickelt worden ist, sind falsch.

Da ich davon ausgehe, dass der Hauptverursacher der diesbezüglich falschen Schulgeschichtsschreibung die Arbeit von Gareis ist, der sich mit dieser Frage ja am ausführlichsten befasst hat, beschäftige ich mich in erster Linie mit den dort behaupteten Zusammenhängen. Zunächst einmal versäumt es Gareis mitzuteilen, ob sich die Gründungsväter vor der Einrichtung des Schulversuches und in der turbulenten Phase seiner Bewährung in ihren Besprechungen mit den Schulverwaltungsgremien des Landes und des Bundes, in denen Überzeugungsarbeit zu leisten war, auf Paumgartner berufen haben. Dies geht aus seiner Dissertation nicht hervor, wäre aber für den Nachweis der Richtigkeit einer so bedeutsamen Behauptung erforderlich. Seine „Beweisführung“ besteht stattdessen im bloßen Hinweis auf die unbestreitbare Tatsache, dass Paumgartner die Prolegomena geschrieben hat und darin von der Errichtung eines musischen Gymnasiums die Rede ist. Da Gareis (auf Grund der Namensgleichheit?) von der Identität beider Konzepte (Paumgartnerkonzept und Schulversuchkonzept) ausgeht, sieht er sich auch nicht vor die Notwendigkeit gestellt, einen speziellen „Vaterschaftsnachweis“ zu führen, also beide Konzepte in ihren wesentlichen Aussagen überhaupt erst einmal zu vergleichen, um dann eine „genetische Abstammung“ feststellen zu können. Da er dies nicht tut, wird ihm die Divergenz beider Konzepte in wesentlichen Fragen nicht bewusst. Dass im Übrigen für diese Thematik grundsätzlich wichtige Protokolle existieren, geht aus einer Anmerkung in seiner Arbeit hervor[15], wo von Forderungen des LSR im Hinblick auf immer noch zu poetische Bildungszielformulierungen berichtet wird. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dahinter genau so wie in der erkennbaren Zurückhaltung des damaligen Präsidenten des LSR Hofrat Dr. Laireiter Paumgartner gegenüber[16] eine von Anfang an gegebene und auch in der Bewährungsphase wirksame inhomogene Interessenslage im Kreise der Schulgründer und der in einem weiteren Umfeld mitmischenden Freunde eines musischen Gymnasiums[17] verbirgt. Es wäre Aufgabe von Gareis gewesen, die an der Errichtung einer musischen Schule Interessierten beim Namen zu nennen und ihre vermutlich nicht so einheitlichen Vorstellungen und Zielsetzungen darzustellen.

Wie die Interessen im Einzelnen formuliert waren, ob sich in diesen Gremien irgend jemand gegenüber dem Paumgartnerkonzept offen deklariert und/oder eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Prolegomena stattgefunden hat, lässt sich auf Grund der Quellenlage bzw. der Versäumnisse von Gareis nicht mehr nachvollziehen. Auf jeden Fall wäre eine Berufung auf Paumgartner, die über das bloße Zitieren von poetischen Formulierungen aus den Prolegomena hinausgegangen wäre und den Appell an den Landesschulrat enthielte, Kernelemente seines Konzeptes in den Schulversuch zu übernehmen, aus den Gründen , die unter Ziffer 2 dieser Arbeit dargestellt worden sind und im Folgenden ergänzt werden, nicht sinnvoll gewesen. Eine solche Berufung auf Paumgartner ist auch nicht wahrscheinlich, da den Schulgründern, wie die Klarstellung zum organisationsrechtlichen Status des Schulversuchs[18] und die Auseinandersetzung in der Bildungszielfrage zeigt[19] , die Divergenz zum Paumgartnermodell offenbar bewusst war.[20]

Richtig ist, dass Paumgartner die Errichtung eines musischen Gymnasiums propagierte[21] , darunter aber von Anfang an einen gymnasialen Lehrgang verstanden hat, den er an der Akademie selbst, in ihrer unmittelbaren Nähe, auf jeden Fall unter Verwaltung und Leitung des Mozarteums einrichten wollte.[22] Das Motiv für die Eingliederung eines solchen gymnasialen Lehrganges an der Akademie war seine Sorge um das unbefriedigende Bildungsniveau des Musikernachwuchses, den er mit seinem bekannten Konzept einer musisch reformierten Allgemeinbildung auf die Ebene des „höheren Menschentums“ führen wollte. In der Laudatio von G. Pfligersdorffer zur Verleihung der Ehrendoktorratswürde an B. Paumgartner im Jahre 1967 ist denn auch unmissverständlich von einem musischen Gymnasium die Rede, das Paumgartner im Rahmen seines Kunstinstitutes angestrebt hat, das ihm aber versagt geblieben ist. In seiner Danksagung bestätigt Paumgartner dieses Vorhaben noch einmal („organische Angliederung“) und meint dann, dass wegen „zahlreicher lokaler Widerstände, wohl auch aus Platzmangel [. . .] dieser Plan nicht zur Ausführung gekommen (ist). Vielleicht erschreckte höherenorts auch die Ungewöhnlichkeit meines Vorhabens“.[23] Zu dem Zeitpunkt, als Paumgartner das Scheitern seines Projektes einbekennen musste, existierte der Schulversuch „Musisches Gymnasium“ bereits seit einem guten Jahr.

Die berühmten Prolegomena aus dem Jahre 1959, die denn auch den Präsidenten der Musikakademien und Konservatorien Österreichs zu Gehör gebracht worden sind und nicht reformwilligen AHS-Professoren, müssen also im Hinblick auf die von Paumgartner angestrebte „organische Angliederung“ an das Mozarteum gelesen werden. Vieles aus den Prolegomena wird überhaupt erst bei Berücksichtigung dieser Zielsetzung verständlich. So zB auch der für ein normales Gymnasium überflüssige (weil selbstverständliche) Hinweis und Wunsch, dass der Abschluß die Qualität einer Reifeprüfung haben sollte. So erhalten seine ausführliche Beschäftigung mit der Rolle des Künstlers im Staat, die nicht gerade bescheiden ausfallenden Qualitätszuweisungen an den künstlerisch begabten Menschen oder etwa der Primat des Italienischen[24] im Fremdsprachenkonzept erst dann einen Sinn, wenn man berücksichtigt, dass in den Prolegomena in erster Linie die späteren Absolventen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst gemeint und diese nicht auf die Abgänger unseres Gymnasiums gemünzt sind, für die ein derart elitäres Bildungsziel wohl nicht vorgesehen ist.[25]

Ein musisches Gymnasium im Sinne Bernhard Paumgartners ist demnach nicht errichtet worden. Nach dem Scheitern seines Projektes einer „organischen Angliederung“ seines besonderen gymnasialen Lehrganges an das Mozarteum ist es nun nicht so gewesen, dass Paumgartner seine Vorstellungen für einen Transfer auf die Ebene des bereits eingerichteten Schulversuchs adaptiert bzw an seiner weiteren Entwicklung mitgearbeitet hätte. Jedenfalls findet man in der Dissertation von Gareis keinen einzigen Hinweis auf irgendeine „befruchtende Aktivität“ Paumgartners, auf die hin der Ausdruck „geistige Vaterschaft“ angebracht wäre.

Mitte der 6oer Jahre hat es, wie Paumgartner selbst anmmerkt, nicht eines Pioniers bedurft, der zum ersten Mal in der Geschichte der Erziehungswissenschaft den Sinn der musischen Erziehung erkannt und deren Verwirklichung in einem speziellen musischen Gymnasium vorgeschlagen hätte. Die genannten Begriffe waren seit langem in der Erziehungswissenschaft eingeführt und Allgemeingut. Paumgartners Essay gehört demnach in eine Reihe von vielen Stimmen zu diesem nicht neuen Thema, die den reformwilligen Schulversuchsbetreibern mehr oder weniger bekannt gewesen sind.[26] Aus all diesen Quellen haben die Gründungsväter geschöpft und sich anregen lassen; von Paumgartners elitärem Konzept der „organischen Angliederung einer Bildungsanstalt für junge Musiker bzw Künstler an das Mozarteum“ jedenfalls nicht.[27] Denn sie mussten ein Konzept entwicklen, das den verfassungsrechtlichen und schulrechtlichen Normen der demokratischen Republik Rechnung trug. Unsere Schulgründer waren sich der Selbstverständlichkeit bewußt, dass sie sich bei der Festlegung des Bildungszieles an diesen Grundnormen zu orientieren hatten und strebten daher „die Heranbildung eines musisch durchdrungenen, geistig unabhängigen und sozial verantwortlichen Menschen“ an und propagierten die „Erziehung zu einer charakterfesten und stabilen Persönlichkeit“.[28] Das bedeutete mit anderen Worten, dass unsere Gründungsväter in einem entscheidenden Punkt, nämlich dem der Berücksichtigung der   moralischen Kategorie der Verantwortlichkeit politischen Handelns, von Paumgartner bzw. dessen Prolegomena, die sie ja- zumindest zum Teil – gelesen hatten, Abstand genommen haben.[29] Diese Kategorie fehlt in den Bildungszielüberlegungen Paumgartners zur Gänze; wie man denn in Paumgartners Diktion überhaupt Töne vermisst, die einen Wandel seines den dreißiger Jahren angemessenen Bewusstseins zu einem der heutigen Verfassung entsprechenden Demokratieverständnis anzeigen könnten. Das bedeutete weiter die Berücksichtigung des für alle Gymnasien bereits festgeschriebenen Fremdsprachenkonzeptes (Englisch 1. lebende Fremdsprache).

Zusammengefasst hat das mit dem Schuljahr 1966/67 eingerichtete musische Reformgymnasium und der 1976 ins Regelschulwesen überführte Sondertyp „Gymnasium mit besonderer Berücksichtigung der musischen Ausbildung“ mit dem Konzept Paumgartners nichts zu tun. Paumgartner selbst sah in der Errichtung des Schulversuchs wohl unabsichtlich doppeldeutig „immerhin einen bleibenden Niederschlag“ seines eigenen gescheiterten Vorhabens. Es bleibt sein Geheimnis, worin dieser Niederschlag bestehen soll und wird wohl letztlich auf die Namensgleichheit „Musisches Gymnasium“ in beiden Konzepten hinauslaufen. In der Namensgebung ist man tatsächlich, wie Degenhardt berichtet[30], Paumgartner gefolgt. Die Namensgleichheit aber ist kein tauglicher Nachweis für eine geistige Vaterschaft.

Ein schlampiger Umgang mit den für die Schulgründung wichtigen Quellen, ein leichtfertiger Umgang mit dem Begriff der geistigen Vaterschaft und das Unvermögen, den demokratiepolitisch bedenklichen Gehalt von Paumgartners Prolegomena wahrzunehmen, haben die Ausbildung eines Mythos begünstigt. Die behauptete geistige Vaterschaft Paumgartners ist angesichts der eigenen großen ideellen, psychischen und physischen Leistung der Gründungsväter eine nicht akzeptable Verschiebung der Verdienste um die Schulgründung auf den Falschen. Diese kann letztlich wohl nur mit der Sehnsucht nach einem Schulstifter erklärt werden, den man sich   über den Mythos der „geistigen Vaterschaft“ eines einzigen geschaffen hat.[31] Aus den besagten Gründen bin ich auch der Meinung, dass Bernhard Paumgartner, sollte wieder eine Namensgebung überlegt werden, als Namenspatron für unsere Schule nicht in Frage kommt.

4. Untauglichkeit der abstrakten Zielangaben für die Arbeit auf der Ebene konkreter Lehrinhaltsfragen

Hinsichtlich weiterer inhaltlicher Mängel in Paumgartners Konzeption des Musischen (vor allem begriffslogischer Natur; Problematik der Geltung und Legitimation von Werten) verweise ich auf die Arbeit von Szigeti.[32] Hier nur so viel als Ergänzung: Selbst wenn man einmal davon absieht, dass die Lehrplanvorschläge Paumgartners einem Gymnasium für angehende Künstler gelten und nicht einer Schülerklientel, wie sie von Laireiter und Degenhardt oben beschrieben worden ist, und diese Vorschläge zwecks Gewinnung von Anregungen für die Profildiskussion heranziehen möchte, wird man in konkreten Fragen der Fächerstruktur und Lehrinhalte nichts gewinnen. Aus seiner vielleicht einem feierlichen Vortrag im Kreise Gleichgesinnter angemessenen abstrakten Diktion kann für die Aussiebung oder eine neue Gewichtung von Inhalten nichts gewonnen werden. Aus der bloßen Aufzählung großer Persönlichkeiten der Geistes- und Kulturgeschichte[33] folgt nicht einmal eine Grundorientierung. Jeder Hochschulabgänger weiß heute darüber Bescheid, dass sich politische Systeme die Werke bzw. die Reputation ihrer Autoren für ihre je verschiedenen politischen Zwecke dienstbar machen. Das gilt z.B. für von Paumgartner angeführten Altmeister Goethe, der in der BRD und der DDR und beide Male mit einer gewissen Berechtigung verschieden rezipiert worden ist und dessen in seinen Werken veranschaulichte Werte in verschiedene Bildungsziele und Lehrplaninhalte umgegossen worden sind. An welchem Goethe soll Maß genommen werden, an dem des Sturm und Drang, dem der Klassik? Paumgartner jedenfalls bleibt die Antwort auf diese nicht unerhebliche Frage schuldig. Mag sein, dass die Nennung bloßer Namen bei Personen derselben Bildungstradition dieselben konkreten Bildungsinhalte evozieren werden. Solange an die Gültigkeit ewiger Werte geglaubt wird, solange der Kanon der überlieferten Bildungswerte seine Gültigkeit hat, solange mag das feierliche Beraunen bloßer Namen in einer Bildungswertediskussion genügen. Nachdem sich dieser Kanon aber spätestens Mitte der 60er Jahre aufzulösen angefangen hat, der Kanon brüchig geworden ist, bleiben die schön-abstrakt formulierten Wertenamen, die Paumgartner nicht müde wird zu beschwören, inhaltsleer und bedürfen einer inhaltlichen Konkretisierung, über die man dann erst diskutieren kann. Im übrigen endet Paumgartners Auflistung der Kulturwerteträger in den 30er Jahren. Danach hat er nichts für die Bewahrung Wertvolles mehr ausmachen können. Ob Paumgartner mit dieser Orientierung nach hinten und seiner fast ins Metaphysische gesteigerten Angst vor den Auswirkungen der Technisierung des Lebens der heutigen Jugend die Gegenwartssicherheit vermitteln kann, wie dies sein erklärtes Ziel ist, muss bezweifelt werden.

5. Ergänzungen und Richtigstellungen zur Gründungsgeschichte

Damit ich in der Frage der geistigen Vaterschaft Klarheit gewinnen konnte, musste ich mich zwangsläufig auf das weite Feld der Gründungsgeschichte unserer Schule begeben und versuchen, die von Gareis auch in dieser Hinsicht hinterlassenen dunklen und trüben Stellen aufzuhellen, die mir für das Verständnis des Gesamtzusammenhanges bedeutsam erscheinen. Dabei habe ich ein paar nicht unwichtige, bisher nicht bekannte Fakten zusammentragen können, mit denen ich in der Lage bin, gleichsam als Nebenprodukt meiner eigentlichen Arbeit die von Gareis schief gesetzten Akzente richtigzustellen und das Bild unserer Schulgründung abzurunden. Ich beschränke mich in meiner Übersicht über die wichtigsten Vorgänge und Zusammenhänge auf die für die Einrichtung des Schulversuchs „Musisches Gymnasium“ kritische Phase; das sind etwa die Jahre 1957 bis 1966.[34] Der große zeitliche Abstand von über dreißig Jahren hat die Rekonstruktion der Gründungsgeschichte einerseits erschwert; das trifft insbesondere zu für die Berücksichtigung und Einarbeitung der Erinnerungen der Personen, die an der Gründung unmittelbar beteiligt waren und heute noch befragt werden können (Degenhardt, Reiter, Weinkamer). Andererseits lässt sich der Rahmen, in den die Schulgründung eingebunden war, genauer nachzeichnen (als es Gareis in seiner Dissertation möglich gewesen ist), da die damals bestimmenden Einflussgrößen in der Rückschau besser erkennbar bzw. schon von den Zeithistorikern erforscht sind. Manche Wiederholungen werden sich in diesem Abschnitt auf Grund des thematischen Zusammenhanges zwischen der geistigen Vaterschaft und der Schulgründung nicht vermeiden lassen.

Das Jahrzehnt vor unserer Schulgründung (Einrichtung bzw. Bewilligung des Schulversuchs am 19. September 1966) war, was den Lebensbereich Schule betrifft, ganz allgemein eine Phase großer Neuerungen mit schulorganisationsrechtlichen und auch sich abzeichnenden schulinhaltlichen Reformschüben. 1962 haben die großen Parteien nach jahrelangen und kontrovers geführten Verhandlungen und getragen von der Erkenntnis, dass die Sozialisation eines mündigen Staatsbürgers nur in einer demokratisch verfassten Schule gelingen kann, mit dem Schulgesetzwerk 1962 (Schulorganisationsgesetz, Religionsunterrichtsgesetz, Schulzeitgesetz, Bundes-Schulaufsichtsgesetz) die organisationsrechtliche Basis für das österreichische Schulsystem geschaffen (augenommen die land- und forstwirtschaftlichen Schulen). Im sogenannten Zielparagraphen (§ 2 SchOG), der auf Grund des Zweidrittelkonsenses gleichsam im Verfassungsrang steht, ist die Aufgabe der österreichischen Schule festgelegt worden und darin erkennbar die Vorstellung einer Schülerpersönlichkeit, die als mündiger Staatsbürger ihren Beitrag für den Fortbestand einer demokratischen Republik leisten kann. Die jahrelangen Verhandlungen der Parteien, die Befassung aller für Schulfragen zuständigen Gremien (das sind in Österreich nicht wenige) und die dadurch in Österreich ausgelöste bildungspolitische Diskussion in den Medien und der Öffentlichkeit haben zu einer Aufbruchsstimmung geführt, die insgesamt gesehen die Entwicklung innovativer erziehungs- und bildungspolitischer Ideen und Programme begünstigt hat.

Parallel zu den strukturellen und administrativen Festlegungen war es etwa ab Mitte der 50er Jahre zu einer grundlegenden Neubewertung des Bildungswesens gekommen. Die Nationalökonomie hatte in dieser Zeit begonnen, eine dynamische Sicht des Bildungssektors zu propagieren. Hatte man diesen bisher nur unter dem Gesichtspunkt der das Budget belastenden Ausgaben betrachtet, sah man jetzt in der Ausbildung der Bevölkerung eine Investition für die Zukunft. Politische Bedeutung bekam diese Sicht, als die Große Koalition diese 1961 in ihre Regierungserklärung übernahm. Seit diesem Zeitpunkt bestimmten Schlagwörter wie „Mobilisierung des geistigen Kapitals“ oder „Zinsertrag für die Allgemeinheit“ die bildungspolitische Diskussion einer breiten Öffentlichkeit. In keiner Phase der österreichischen Nachkriegsgeschichte sind so viele neue Schulen geschaffen worden wie in den Jahren zwischen 1963 und 1973. Mit diesen Schulneubauten und den damit stetig steigenden Bildungsausgaben trug man den gleichzeitig und kontinuierlich anwachsenden Schülerzahlen und der unerwartet starken Bildungsneigung der österreichischen Bevölkerung Rechnung. Für unseren Zusammenhang bedeutsam ist die Tatsache, dass diese neue dynamische Sicht des Bildungssektors in diesen Jahren von allen politischen Kräften geteilt und erkennbar etwa ab dem Jahr 1957 der gesamte Bildungsapparat in Bewegung gesetzt worden ist, um eine Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungsqualität zu erreichen. Ohne Zweifel war das vordringliche Ziel dieser Bildungspolitik der vermehrte Output von Naturwissenschaftlern und Technikern, doch mobilisierte die Aufbruchsstimmung dieser Jahre ganz allgemein die immer breiter streuenden Bildungsinteressen der Österreicher, die sich beispielsweise auch in der unterschätzten Inanspruchnahme der Musisch-pädagogischen Realgymnasien äußerten.[35]

Die von Gareis unter dem Begriff der ideellen Grundlegung für den Schulversuch „Musisches Gymnasium“ angeführten Vorgänge und Aktivitäten im Bundesland Salzburg wie die 1. Studientagung 1959 in Mauterndorf über Fragen der musischen Erziehung oder die X Internationale pädagogische Werktagung im selben Jahr, die Zusammenkünfte des Salzburger pädagogischen Arbeitskreises, in dem die Neugestaltung des Gymnasialunterrichtes auf musicher Basis diskutiert worden ist, die Zunahme der Artikel dazu in der pädagogischen Fachwelt, wofür der Aufsatz von Paumgartner 1959 in der Zeitschrift Musikerziehung nur ein Beispiel für viele ist[36], dürfen aber nicht nur vor dem Hintergrund der gesamtösterreichischen Bildungsexpansion, sondern müssen auch im Zusammenhang mit der besonderen Entwicklung im Bundesland Salzburg gesehen werden. Der österreichweite Reformschwung bekam nämlich in Salzburg auf Grund des Selbstverständnisses als Stadt der schönen Künste mit weltweiter Ausstrahlung bzw. der darauf Bedacht nehmenden Landespolitik eine stark kulturelle und kunstbezogene Ausrichtung. In keinem Bundesland beanspruchten Fragen und Vorhaben der Kulturpolitik einen derart großen Platz in der Selbstdarstellung wie im Bundesland Salzburg.[37] Zusätzlich hatte der Ausbau der Universität, aber auch das Vorhaben, die Voraussetzungen für eine ganzjährige Kunstakademie zu schaffen[38], eine Partizipationsbereitschaft ausgelöst, die bis in die Diskussionszirkel aufgeschlossener Gymnasialpädagogen verfolgbar ist. Das von Landeshauptmann Lechner im April 1965 notierte Desiderat, dass „das kulturelle Leben in Stadt und Land Salzburg immer wieder auf ein so breites und so starkes Fundament gestellt werden (muss), dass Festspiele und Universität nicht nur ein überdimensionaler Aufbau auf einer dünnen Schicht lokaler Kultur“ sind[39], lässt sich in unserem Zusammenhang fast als eine Aufforderung lesen, die auch an die Gymnasialpädagogenschaft gerichtet war, von der Möglichkeit, die der neue § 7 des SchOG bezüglich der Einrichtung von Schulversuchen bietet, in einer für die Kulturstadt wünschenswerten Weise Gebrauch zu machen. Die für das Bundesland Salzburg angeführten Vorgänge und Aktivitäten bildeten im Hinblick auf die Einrichtung eines musischen Schulversuchs neben der österreichweiten Ausstrahlung der Bildungsexpansion den atmosphärischen Hintergrund und schufen Ausgangsbedingungen, welche die Verwirklichung dieses Vorhabens auf spezifische Weise förderten.

Ein Pädagoge, der in diesen Jahren über die Bedeutung der musischen Erziehung für eine ganzheitliche Erziehung nicht nur nachdachte und schrieb, war der Kunsterzieher Adolf Degenhardt. Seine pädagogischen Vorstellungen sind von der musischen Ausrichtung eines Wiener Privatgymnasiums beeinflusst worden (Degenhardt maturierte am Neuland-Gymnasium, das von einer progressiv-katholischen Gruppierung, dem Bund Neuland, betrieben wurde); später von der Erziehungsphilosophie der Kunsterzieherbewegung. Seine Ideen zu einem musischen Reformgymnasium, das einen einer ganzheitlichen Erziehung dienenden Ausgleich zwischen den naturwissenschaftlich-technischen und den musischen Fächern erproben sollte, hatte er bereits 1957[40] vorgelegt. Nachdem in seiner Schule, einem Humanistischen Gymnasium, Musik und Bildnerische Erziehung in der 6. Klasse überhaupt nicht unterrichtet und in den beiden letzten Klassen nur als alternative Pflichtgegenstände im Ausmaß von 2 Stunden geführt wurden, also insgesamt ein Aschenbrödeldasein führten[41], war es das Anliegen Degenhardts, diese exklusive Alternative zu beseitigen, beide Gegenstände als vollwertige Fächer in jeder Jahrgangsstufe des achtjährigen Curriculums zu verankern und das Musische als Unterrichtsprinzip für alle Fächer aufzuwerten. Degenhardt war aber mit seinen Plänen, die auf ein musisch-humanistisches Reformgymnasium hinausliefen, in der Direktion seiner früheren Schule, dem Akademischen Gymnasium, auf wenig Verständnis gestoßen. Dieses fand er nach seinem Wechsel an das BG II im Schuljahr 1961/62 bei Hofrat Kaforka und einer auch von Paumgartner inspirierten Gruppe um Albin Reiter[42] und bald war es ihm gelungen, eine Gruppe gleichgesinnter Pädagogen um sich zu scharen, die man mit Fug und Recht als die Gründungsväter des Musischen Gymnasiums bezeichnen kann. Zu ihnen gehörten neben Adolf Degenhardt und Erich Kaforka: Albin Reiter, Alfred Strauß, Franz Schirlbauer und Erich Weinkamer.[43] Diese sechs Kollegen haben durch ihre gemeinsam erstellten inhaltlichen und organisatorischen Konzepte den Plan zu einer Schulgründung so weit vorangetrieben, dass das Bundesministerium für Unterricht dem vom LSR für Salzburg am 11. Juni 1965 gestellten Antrag, am BG II einen Schulversuch „Musisches Gymnasium“ einzurichten, am 19. September 1966 zugestimmt hat. Diese ministerielle Zustimmung bzw. der Bescheid des Ministeriums vom 19. September 1966 Zl 100. 640-V/4b/66 ist demnach der eigentliche Gründungsakt unserer Schule. Allem Anschein nach ist Adolf Degenhardt bei den Beratungen in der Phase vor der Bewilligung des Schulversuchs, nach seiner Einrichtung und auch nach seiner Bestellung zum Fachinspektor (1968) die treibende Kraft gewesen und er war es auch, der die Zielsetzungen des Schulversuchs in den entscheidenden Jahren dem Minis­terium gegenüber vertreten hat.[44]

Da ein Schulversuch nach dem österreichischen Schulrecht nur über Antragstellung des jeweiligen Landesschulrates und die Bewilligung durch das Unterrichtsministerium eingerichtet werden konnte, musste natürlich auch der damalige Präsident des LSR Hofrat Laireiter mit dem Vorhaben befasst werden. Laireiter, der auf Grund seiner Prägung durch die Jugendbewegung und Reformpädagogik an der Verwirklichung musischer Erziehungsziele grundsätzlich interessiert war, stand dem Vorhaben von Anfang an wohlwollend gegenüber. Dies traf auch auf den nach der Verfassung für das Schulwesen im Bundesland Salzburg verantwortlichen Landeshauptmann Dr.Hans Lechner zu, der die Verwirklichung seiner eigenen, ebenfalls vom Bund Neuland beeinflussten pädagogischen Vorstellungen in einem musischen Reformgymnasium nach dem Salzburger Zuschnitt in Aussicht gestellt sah.[45] Lechner hat in seinem bereits angesprochenen Rechenschaftsbericht im April 1965 spezielle bildungspolitische Desiderata beschrieben, welche mindestens als eine Ermunterung der Gründungsväter verstanden werden konnten, einen Antrag auf Einrichtung eines Schulversuchs zu stellen und die Zeit bis zu seiner Bewilligung mit einer Art Probelauf zu nützen. In diese Zeit fällt auch eine Vorsprache Paumgartners bei Landeshauptmann Dr. Lechner. Paumgartner war als Festspielpräsident des öfteren bei Landeshauptmann Lechner zu einer Besprechung. Diesmal aber war Paumgartner von Hofrat Kaforka, Degenhardt und Reiter gebeten worden, sich bei Dr. Lechner dafür zu verwenden, dass sich der LSR zu einer positiven Behandlung des Antrags entschließt. Paumgartner, der von Reiter von dem geplanten Schulversuch unterrichtet worden war, zeigte sich von der Aussicht der Institutionalisierung eines Reformgymnasiums erfreut, das zwar nicht seinem Konzept der organischen Angliederung einer Klasse junger Künstler an das Mozarteum entsprach, sagte aber natürlich seine Unterstützung zu, da die neue Schule ja grundsätzlich auch Musikern offenstehen würde, die eine musisch reformierte humanistische Allgemeinbildung anstreben wollten.[46] Der Einsatz von Paumgartner hatte nach der Einschätzung von Degenhardt[47] eine beschleunigende Wirkung.

Nicht zu unterschätzen in diesem Zusammenhang ist auch die intellektuelle und moralische Unterstützung, welche die Salzburger Nachrichten dem Schulversuch gerade in der kritischen Phase vor der Antragstellung und Zustimmung des Ministeriums zukommen haben lassen. Unter der Leitung des damaligen Kulturchefs Max Kaindl-Hönig hat die Zeitung das kulturelle Geschehen in der Stadt Salzburg aufmerksam verfolgt, für die Publikation und Diskussion schul- und bildungspolitischer Themen ihr Medium zur Verfügung gestellt und oft auch selber Kulturpolitik betrieben. Beispielsweise hatte Kaindl-Hönig, als es um die Frage der Festspielpräsidentschaft ging, Bernhard Paumgartner favorisiert und diesem in seinem Blatt breiten Raum für die Darstellung seiner Konzepte eingeräumt. 1960 war Paumgartner nicht ohne Zutun des Kulturchefs der Salzburger Nachrichten tatsächlich zum Festspielpräsidenten gekürt worden. Fragen der Reform des Gymnasiums sind, wann immer sich dazu ein Anlass geboten hat, in einer für unser heutiges Empfinden überraschenden Breite behandelt worden.[48] Kaindl-Hönig, Gottfried Kraus, Sepp Käfer und andere haben immer wieder und unabhängig von den Gründungsvätern Leitartikel und Glossen zu Fragen der musischen Erziehung verfasst und damit dazu beigetragen, dass eine breitere Öffentlichhkeit für diese Thematik sensibilisiert werden konnte. Sie haben damit das grundsätzlich schon vorhandene Wohlwollen der Landespolitiker noch verstärkt. In diesen Zusammenhang gehört auch der Abdruck der Prolegomena in der Silvester- und Neujahrsausgabe der Salzburger Nachrichten 1964/65, der ebenfalls in den Verantwortungsbereich von Kaindl-Hönig fällt. In der Wiederveröffentlichung dieses bereits vor 5 Jahren publizierten Textes bzw in der Verwertung des Ansehens von Bernhard Paumgartner ein halbes Jahr vor der Antragstellung zum Schulversuch darf man wohl den gezielten Versuch erblicken, auch von dieser Seite die Entscheidung der Schulpolitiker des Landes positiv zu beeinflussen.[49]

Die Ideen einer musischen Erziehung als ein Ausdruck des uralten Menschheitstraumes von einem geglückten Leben reichen in unserem Kulturraum bis in die Antike zurück. Zu ihrer Ausformung haben mehr als hundert Generationen beigetragen. Sie mussten zur Zeit der Einrichtung unseres Schulversuches nicht neu erfunden werden und sind Allgemeingut. Auch Bernhard Paumgartner hat sich ihrer bedient, als er das Konzept seines musischen Gymnasiums der Stadt nach dem Ersten und dann wieder nach dem Zweiten Weltkrieg vorgestellt hat. Wenn das offizielle Salzburg auf wirkungsvolle Weise etwas über den Begriff der musischen Bildung in einem Gymnasium erfahren hat, dann vor allem über Paumgartner, der in dieser Stadt durch seine Funktion am Mozarteum und als Festspielpräsident großes Ansehen genoss. Seine Reputation und der bis zur Einrichtung des Schulversuchs fünfmal wiederholte Abdruck der Prolegomena in jeweils verschiedenen Medien hat einerseits sicher zur Verbreitung der Philosophie der musischen Bildung und Erziehung beigetragen, wie das den Gründungsvätern auf Grund ihres Wirkungskreises nicht möglich gewesen wäre, andererseits aber in der Öffentlichkeit auch zu einer so festen Verknüpfung des Namens Paumgartner mit dem Namen „Musisches Gymnasium“ geführt, dass die Schule, die 1966 ihre Pforten öffnete und ebenfalls den für eine Verwechslung anfälligen Namen „Musisches Gymnasium“ führte, fälschlich für sein Werk gehalten wird. Die gewichtigen Unterschiede zwischen beiden Konzepten hinsichtlich der Schülerklientel und der organisationsrechtlichen Verfassung beider Schulprojekte sind der breiten Öffentlichkeit aber auch deshalb nicht bewusst geworden, weil ein Teil der Gründungsväter selbst sich auf eine Weise, die zu Missverständnissen führen musste, auf Paumgartner berufen hat, aber auch durch die Kürzungspolitik der Salzburger Nachrichten, die bei ihrem für die Verbreitung in der Öffentlichkeit wichtigen Abdruck Anfang 1965 auch die Stellen herausgestrichen haben, welche die Erkenntnis der Unterschiede zwischen beiden Schulkonzepten erleichtern hätten können. Ein möglicher Grund für das Beharren auf der Gallionsfigur Paumgartner, das zum Teil wider besseren Wissens erfolgte, könnte neben den bisher angeführten Erklärungen sein, dass der Mythos seiner geistigen Vaterschaft auch noch in die Bewährungsphase des Schulversuchs bis zu seiner endgültigen Absicherung ausstrahlen sollte.

Die Ideen der musischen Erziehung waren, wie gesagt, Allgemeingut. Auch unsere Gründungsväter haben sich ihrer bedient. In Abwandlung eines berühmten Satzes von Karl Marx haben die Gründungsväter die Ideen der musischen Erziehung und Bildung im Vergleich zu Bernhard Paumgartner nicht nur verschieden interpretiert, sondern sie im Gegensatz zu ihm auch tatsächlich verwirklicht. Die Verwirklichung dieser Ideen ist vor dem Hintergrund der gesamtösterreichischen Bildungsexpansion dieser Jahre zu sehen und ist von den kulturpolitischen Rahmenbedingungen in Salzburg begünstigt worden. Das Verdienst von Bernhard Paumgartner ist es, dass er durch die unermüdliche Verfolgung seines eigenen (gescheiterten) Schulprojektes seinen Teil zu ihrer positiven Einfärbung beigetragen hat. Das musische Reformgymnasium unter diesen von verschiedener Seite positiv beeinflussten Rahmenbedingungen ins Leben gerufen zu haben ist das gemeinsame Werk der Gründungsväter und ihr Verdienst allein. Den Begriff der geistigen Vaterschaft kann man im Zusammenhang mit der Gründung des Musischen Gymnasiums aus den angeführten Gründen getrost fallen lassen.

6. Ausblick: Zur Bildungszielphilosophie des Humanistischen Gymnasiums

Unsere Schule verdankt ihre Existenz einer Reihe von ehemaligen Kollegen, die ihre pädagogischen Träume mit Hilfe fähiger und einsichtiger Schulpolitiker des Landes und des Bundes verwirklichen konnten. Bewährt hat sich diese Schule durch die Leistungs- und Veränderungsbereitschaft unseres Lehrkörpers, durch sein didaktisches Geschick und die Fähigkeit, das Seine zu einer lebenswerten Schule beizutragen.

Wenn jetzt eine Strukturreform ansteht, sind wieder einmal initiative und innovative Kolleginnen und Kollegen und auch Schüler und Eltern aufgerufen, möglicherweise divergierende Interessen zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen. Die Rückbesinnung und Berufung auf einen Mythos, einen falschen noch dazu, wäre dabei ein regressives Element in einem Prozess zunehmend basisdemokratischer Entfaltung.

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir bei unserer Profildiskussion auch beim humanistischen Bildungsbgriff selbst ansetzen. Zum Beispiel könnten wir einmal darüber nachdenken, ob aus einer an einem humanistisch-musischen Gymnasium angeblich angebotenen „Gesamtschau über das Große, Gewordene im Menschen und in der Gesellschaft“ wirklich bereits ein „höheres Menschentum“ (so Paumgartner) folgt. Ich tue mir schwer, das nicht für eine Sünde wider den Heiligen Geist oder eine typisch bildungsbürgerliche Anmaßung zu halten.

Die bildende und humanisierende Wirkung der antiken Schriften hat sich, wie die Zivilisationsgeschichte gerade am Beispiel ihrer humanistisch gebildeten Führungskräfte, von den Päpsten über die Mediceer-Fürsten, den weltlichen und geistlich Verantwortlichen für Inquisitions-und Hexenprozesse, den Organisatoren des Sklavenhandels (Athen und Rom darin ein großes Vorbild) und der brutalen Ausbeutung in der Neuen Welt bis zu den humanistisch gebildeten Nazi-Schergen, zeigt, wenigstens an diesen Vertretern als Illusion herausgestellt.

Die hinter der angeblich bildenden und humanisierenden Wirkung der antiken Schriften stehende Moraltheorie hat ein ehrwürdiges Alter und reicht bis in die griechische Antike zurück. Sie ist bekannt geworden unter dem Namen des ethischen Intellektualismus und behauptet einen notwendigen Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau eines Menschen und der moralischen Güte seiner Handlungen. Für den Pädagogen folgte aus dieser Position die Anweisung, den jungen Menschen mit den in einer Gesellschaft als vorbildlich angesehenen Verhaltensweisen, also den in der Literatur festgehaltenen Exempla und einigem damit in Zusammenhang stehenden Moralwissen zu konfrontieren. Wenn man sich nicht auf den Standpunkt einer mit dem Christentum aufgekommenen Gesinnungsethik stellt, wonach für die moralische Beurteilung des (prinzipiell sündhaften) Menschen nicht seine Taten, sondern seine Gesinnung heranzuziehen ist, womit bekanntlich die größten Verbrechen gerechtfertigt worden sind, genügt demnach für die Bewährung eines Charakters in Konfliktfällen weder die Information noch die Gesinnung; und dies besonders in Situationen, in denen massenpsychologisch oder sonst wirksamer Druck (experimenteller Nachweis für die grundsätzliche Korrumpierbarkeit des Menschen in den berühmten Milgram-Experimenten) die sittliche Autonomie des Individuums in Frage stellt.

Erziehungswissenschaft und Psychologie wissen heute über die Vermittlungsvariablen und ihr kompliziertes Zusammenspiel bei der Verfestigung eines Charakters und seine Bewährung besser Bescheid als die Denker vor über zweitausend Jahren. Daher sollten wir uns mit der aus der Geschichte des humanistischen Gymnasiums vertrauten Tradition der bloßen Lektüre antiken Bildungsgutes nicht mehr begnügen, sondern unsere Schüler so erziehen, dass sie von der Sittlichkeit nicht nur etwas wissen, sondern auch danach handeln. Im Schülerleben innerhalb und außerhalb der Schule nach einer argumentierbaren Moral handeln, demokratiepolitisch sinnvolle Aktivitäten setzen als Einübung für späteres staatsbürgerliches Handeln will aber genauso unterrichtet und gelernt werden und erfordert mindestens denselben pädagogisch-didaktischen Einsatz wie die Vermittlung kognitiver Bildungsinhalte. Ich vermute, dass der von uns Lehrern nicht mitunterrichtete Transfer von der Theorie in die Praxis auch ein Grund für die Politikverdrossenheit unserer Jugend ist.

Der bisher ausgebliebene Transfer von der Theorie in die Praxis hat auch sozial- und bildungsgeschichtliche Ursachen, die mit dem Stand der Gelehrten und der Lehrer selbst zu tun haben. Die Bildungsphilosophie des humanistischen Gymnasiums in seiner Fassung durch den Neuhumanismus ist in einer Phase der deutschen Reichsgeschichte formuliert worden, als die Verwirklichung der Träume einer Verfassung, welche die Garantie der Menschenrechte enthielt oder gar Mitwirkungsrechte der Bürger an der politischen Willensbildung enthalten sollte, in weite Ferne gerückt war; ganz abgesehen davon, dass die Formulierer dieses Bildungsideals nicht das gesamte Volk, sondern nur qualifizierte Minderheiten an den eventuell erkämpften Rechten partizipieren lassen wollten. Die Vorstellung nun von der Entfaltung aller Persönlichkeitskräfte in der Begegnung mit der Antike (Wilhelm von Humboldt), die sich dann aber doch nur im Medium der Kunst frei äußern durften bzw. auf dieses eingeschränkt waren, deckten sich mit den Überlegungen der Klassik, insbesondere denen Schillers, der in seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ in der Kunst ein vom Zugriff des Staates noch nicht korrumpiertes Betätigungsfeld für den Staatsbürger gefunden hatte. Beiden für die Bildungsphilosophie des humanistischen Gymnasiums bestimmenden Einflussgrößen ist die um die politische Handlungskomponente gekappte Beschränkung auf das Kulturell-Private gemeinsam; unter den damals herrschenden Umständen ein vermutlich weiser Schritt. Und noch ein retardierendes Element in der Verfestigung eines solchen eher kontemplativen Bildungsbegriffes lässt sich feststellen. Da die Absolventen eines humanistischen Gymnasiums sich durch den bis zur Jahrhundertwende auf ihre Kreise beschränkten Hochschulzugang die Reproduktion ihrer beruflichen Privilegien und sich als Eliten im Umfeld von Alleinherrschern   seit der Renaissance einen gewissen Einfluss sichern konnten, fehlte insgesamt gesehen ein Motiv, dem Bildungsbegriff eine mehr handlungsorientierte Färbung zu geben. Ein trotz der politischen Ohnmacht mehr oder weniger maßgeblicher Einfluss auf das öffentliche Geschehen seit der Renaissance bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Absolventen der Realschule und des Realgymnasiums mit denen des humanistischen Gymnasiums gleichgestellt wurden, dürfte meines Erachtens mit ein Grund gewesen sein für einen derart kastrierten Bildungsbegriff der Gelehrten und Schulmänner, die nicht erst seit heute an führender Stelle an der Normierung der Bildungsbegriffe mitarbeiten.

Diese Situation änderte sich mit den politischen und sozialen Umwälzungen nach dem 1. Weltkrieg bzw. der Errichtung demokratischer Republiken im Deutschen Reich und in Österreich vorerst nicht. Ihre späte Einführung, mangelnde Erfahrung, wie ein Volk von jahrhundertelang im Gehorsam gegen Kirche und Krone geübten Untertanen zu einem demokratisch legitimierten und verantworteten Verhalten bewegt werden kann, und das Nachwirken der alten Bildungstradition sind wohl die Gründe für die nur langsam reifende Erkenntnis, dass für das Funktionieren einer Demokratie als der dem derzeitigen Entwicklungsstand des Kapitalismus entsprechenden Staatsform Aktivbürger erforderlich sind, ohne die Demokratie bloße Fassade bleibt oder wieder in die Hände von weniger demokratisch legitimierten Eliten fällt. Spätestens aber im Schulgesetzwerk 1962 ist das Vertrauen auf das Funktionieren des Humboldtschen Bildungsideals nicht mehr wirksam, wonach die charakterliche und soziale Erziehung des Schülers gleichsam von selbst aus der ernsthaften Befassung mit den Bildungsgütern und der Entwicklung formaler Fähigkeiten folgt. Ein aus der Aufgabenbestimmung für die österreichische Schule ablesbares deutlich handlungsorientiertes Bildungsziel ist an seine Stelle getreten. Kurz und allgemein formuliert ist das Ziel gemäß § 2 SchOG jetzt die Entwicklung des Schülers zu einer durch einen Katalog von Tugenden und Bürgertugenden bestimmten und in das Gemeinschaftsleben eingebundenen Persönlichkeit, die – konkret weiter formuliert – fähig sein soll, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken. Anders als in vordemokratischer Zeit genügt dem Gesetzgeber in einer Demokratie, deren Funktionieren von der Teilnahme ihrer Bürger am Prozess der Willensbildung (nicht nur bei Wahlen) abhängig ist, eine auf das Private beschränkte Allgemeinbildung (im Gynasium: höhere Allgemeinbildung) nicht mehr. Dreieinhalb Jahrzehnte später liegen und lägen mit der Verrechtlichung von Teilbereichen des Schullebens (da, wo es um die Zuteilung von Lebenschancen geht) und der Verankerung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte von Schülern und Eltern alle institutionellen Voraussetzungen vor, ein bestimmtes Bildungsniveau nicht schon mit einem bestimmten Wissensstand erreicht zu sehen, sondern vom Nachweis demokratiepolitisch wünschenswerter Handlungskompetenzen abhängig zu machen; also in der Schule auch einen Raum zu sehen, innerhalb dessen staatsbürgerliches Verhalten im weitesten Sinn als Vorstufe für späteres verantwortliches Handeln in Beruf, Ehe, Partnerschaft, Familie, Kirche, Verein, Partei und im Staatsleben eingeübt werden kann und auch eingeübt werden soll. Natürlich hat dieser vom einfachen Gesetzgeber (im Übrigen ist der Zielparagraph wie das gesamte Schulorganisationsrecht vom Konsens einer Zweidrittelmehrheit getragen) der Schule übertragene Auftrag seine Grenze in der verfassungsrechtlich garantierten Autonomie des Schülers, von der Befähigung zu staatsbürgerlich relevantem Handeln auch nicht Gebrauch zu machen. Die Schule ist mit anderen Worten verpflichtet, dem Schüler Vorbilder und die Befähigung zu öffentlich wirksamem Handeln zu geben, darf aber nur Nachfolge auf Grund frei gebildeter Überzeugung ermöglichen und erleichtern wollen.[50]

Auch zum Preis von Unannehmlichkeiten – und diese werden nicht ausbleiben, wenn Schüler ihre Rolle als bloße Bildungsempfänger ablegen und ihre Pflichten und Rechte als Staatsbürger im Arbeits- und Lebensraum Schule im Sinne des § 2 SchOG und der Normen des Schulunterrichtsgesetzes wahrzunehmen lernen – sollten wir ganz allgemein, und ohne schon auf den verschiedenen Beitrag der Fächer bei der Zielverwirklichung einzugehen, unsere pädagogisch-didaktischen Fähigkeiten bei Klarstellung der verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen politischen Handelns dafür einsetzen, den Schülern schon in der Schule die Handlungskompetenzen zu geben, die sie später zur Aufrechterhaltung einer lebendigen Demokratie benötigen. Ich fürchte, dass eine aus einem liberalistischen Grundrechtsverständnis folgende Haltung „Schule informiert – handeln muss der Schüler später selber“ – in eine demokratiepolitisch wenig wünschenswerte Sackgasse geführt hat. Und wenn das, was das humanistische Gymnasium letztlich anstrebt, nämlich Humanität, kein bloßes Wort bleiben soll, also an einem Bildungsbegriff festhält, der zu nichts verpflichtet, muss neben die anzustrebende Gesamtschau auch die Befähigung zur Verwirklichung in ihr enthaltener großer Menschheitsträume durch den Zugewinn von Handlungskompetenz treten.

Das Humanistische Gymnasium mit seiner musischen Akzentuierung durch die Bildungsphilosophie des Neuhumanismus hat sich seit seinen Anfängen der vollen Entfaltung der Persönlichkeit verpflichtet (einem auch heute gültigen Bildungsziel), dieser aber auf Grund des politischen Rahmens zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur das schmale Betätigungsfeld der Kunst anbieten können. Diese bis ins 20. Jahrhundert andauernde Beschränkung hatte zur Folge, dass der Begriff der musisch-humanistischen Bildung mit der Vorstellung des Nur-Privaten aufgeladen wurde. Diese Verknüpfung ist durch die Tatsache noch verstärkt worden, dass das Musische ja in der Privatheit seinen Ausgang nimmt und dort seinen unbestrittenen Selbstwert für ein erfülltes Leben hat. Noch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich im Zusammenhang mit der Industrialisierung die musische Akzentuierung des Humanistischen Gymnasiums zu verflüchtigen und löste sich schließlich überhaupt auf. Die vielfältigen Reformbewegungen seit der Jahrhundertwende haben auf die tatsächliche oder befürchtete Beschneidung der „voll entfalteten Persönlichkeit“ reagiert und sich der Reintegration des Musischen in die Erziehung verschrieben. Aber auch sie haben sich den musischen Menschen nur als einen in seiner Privatsphäre tätigen Menschen vorstellen können und die politische Dimension der musischen Erziehung und Bildung ausgeklammert. Auch nach ihrem Verständnis war eine voll entfaltete Persönlichkeit schon und immer noch eine, die allein oder in Gruppen musizierte, malte, sich poetisch betätigte und für Musisches Interesse zeigte. Eine wirklich voll entfaltete Persönlichkeit nach der oben beschriebenen Bildungszielphilosophie des Schulgesetzgebers 1962 aber, auf deren „Produktion“ eine Demokratie zur eigenen Wohlfahrt angewiesen ist und hinarbeiten muss, ist ein Bürger erst dann, wenn er aus seiner musisch-humanistisch gebildeten Privatheit heraustritt und sich am öffentlichen Geschehen beteiligt. Wenn musisch begabte und interessierte Schüler, die in einem humanistischen Gymnasium zu jungen, zur Humanität fähigen Staatsbürgern erzogen worden sind, das Gemeinschaftsleben mitgestalten, wird sich das nun schon seit zwei Jahrhunderten eingeübte ungute Verständnis des musischen Menschen als eines auf das Kulturell-Private beschränkten Menschen, also eines insofern nur halben Menschen, langsam zu verschieben beginnen. Und dann erst wird man mit dem Begriff des Musischen die Vorstellung einer voll entfalteten Persönlichkeit verbinden, die für ein Leben in einer auf die Partizipation seiner Bürger angewiesenen Demokratie gerüstet ist.

7. Anhang   „Normalfassung“ der Prolegomena von B. Paumgartner

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist die Überzeugung, dass der Bestand eines Staatswesens und die Lebensqualität in ihm nicht nur von einer möglichst großen Zahl praktisch ausgerichteter Menschen abhängt, sondern auch von den Künstlern, die zusammen mit den Wissenschaftlern die Kultur erhalten.

Wenn die höheren geistigen und künstlerischen Leistungen gering geschätzt werden, hat das Folgen auf:

a) eine Zunahme der Halbbildung;

b) die Entstehung einer Weltanschauung für Minderbemittelte;

c) die Eliminierung des kritischen Geistes des Künstlers;

d) Weltkriege „und dergleichen“. (Original Paumgartner, a.a.O., S. 19)

Nur die Künstler als die Erwecker,Verkünder und Vermittler edler Freuden können verhindern, dass die Menschen den Sinn ihres Lebens nur im Erwerb von Gütern und der Befriedigung vitalster Bedürfnisse sehen; nur sie können sie über ihr damit drohendes Termitendasein hinausführen.

Aus diesen Gründen müssen die Geisteswissenschaftler und die Künstler neben Führungskräften wie den Staatsmännern, Politikern und Generälen Führungsaufgaben übernehmen.

Nach diesen allgemein gehaltenen kulturphilosophischen und kulturpolitischen Überlegungen über die staatstragende Rolle des Künstlers möchte ich jetzt auf die jüngste Geschichte Österreichs eingehen, im Besonderen eine Aussage darüber treffen, was meiner Meinung nach zum Nationalsozialismus (Paumgartner verwendet diesen Begriff nicht ausdrücklich, aus dem Kontext ergibt sich aber unmissverständlich, auf welche Phase der Geschichte Österreichs er sich bezieht) geführt hat (a) und werde dann einen Weg zeigen, wie Österreich aus seiner armselig gewordenen politischen Existenz wieder herausfindet (b). In beiden Fällen kommt, wie ich zeigen werde, den Kunst- und Kulturschaffenden die entscheidende Rolle zu.

ad a) Zur Entwicklung des Nationalsozialismus und den mit ihm verbundenen schrecklichen Folgen wäre es nicht gekommen, wenn nicht in den entscheidenden Jahren ab der Jahrhundertwende die kritische Gegenkraft des Geistes ausgeschaltet worden, speziell die Idee der humanistischen umfassenden Bildung in Verruf gekommen wäre und an ihre Stelle die Halbbildung von nur nach dem Praktischen und Nützlichen strebenden Menschen getreten wäre.

ad b) Österreich findet aus seiner Bedeutungslosigkeit heraus, wenn wir uns unserer eigentlichen Begabung auf geistig-kulturellem und künstlerischem Gebiet, unserer kulturspendenden Rolle und damit unseres Ranges in der Welt bewusst werden. Wir brauchen dazu nur an unserer jahrtausendealten Kulturtradition anknüpfen.

Bisher war von der Funktion des Künstlers in einem Staatswesen im Allgemeinen und in der jüngsten Vergangenheit Österreichs im Besonderen die Rede. Es wird Zeit, die Brücke zu meinem Schul-Thema zu schlagen. Ein Künstler kann die oben beschriebene Rolle nur dann übernehmen, wenn er durch eine entsprechende Bildung, die er an dem von mir vorgeschlagenen Schultyp erhält, dazu befähigt wird. Ich werde daher, noch bevor ich auf Details des musischen Gymnasiums eingehe, vorerst meinen musischen Bildungsbegriff erläutern.

Natürlich gehört dazu ein gewisses Wissen um die humanistischen Dinge. Aber Bildung erschöpft sich nicht in der Reproduzierbarkeit von Kenntnissen. Zu ihr gehört ganz wesentlich die aktive Teilnahme an den Künsten und kulturellen Geschehnissen, zumindest eine subtile kennerische Freude an diesen Bereichen. Erreicht werden soll diese spezielle Bildung, indem wir den dazu geeigneten jungen Menschen an den großen Beispielen höchsten Menschentums formen, an den unvergänglichen, ewig fortwirkenden Leistungen des Menschengeistes auf kulturellem Gebiete. Der Schüler wird durch eine Gesamtschau zu höherem Menschentum geleitet werden.

Ich komme nun zu meinem eigentlichen Thema. Für unsere Zwecke, nämlich eine musisch geprägte Allgemeinbildung, brauchen wir ein spezielles Gymnasium und zwar eine Weiterentwicklung und bessere Ausgabe des bisherigen humanistischen Gymnasiums. Dieser neue Schultyp ist das musische Gymnasium.

Das derzeitige humanistisch verfasste Gymnasium halte ich für erstarrt und lebensfremd. Es vermittelt zu viele unnütze Kenntnisse, zu wenig Erkenntnisse und verbindende Werte; es hat sich auf philologischen Kleinkram spezialisiert. Es ist mit anderen Worten keine Bildungsanstalt mehr, sondern eine Vorbereitungsmaschine für die Reifeprüfung. Ein musisches und humanistisches Gymnasium wird daher die humanistische Struktur verdichten, lebendige und befeuernde Lehrmethoden entwickeln, erlesene Stoffe anbieten und für das Neue offen sein.

Das musische Gymnasium soll nicht nur den Musikern, sondern allen kunstbegabten jungen Leuten, darüber hinaus allen offenstehen, die ein Interesse an diesem Schultyp nachweisen können.

Das musische Gymnasium darf das solide Fundament der praktischen Kenntnisse nicht vernachlässigen. Es will in keiner Weise eine verkappte Musikschule sein, eine Art musikalischer Berufsschule als Vorstation für eine Musikhochschule. Es wäre der größte Fehler, in diesem Gymnasium die alte Form der musikalischen Spezialisierung und Berufslenkung zu wiederholen. Nicht Musik als Berufszweig wird hier gepflegt, sondern der ganze musische Boden beackert. Alle Fächer sind Hauptfächer und gleichwertig. Dem musischen Lehrziel beugen sich alle Fächer.

Die Fächer am Musischen Gymnasium gliedere ich in vier Bereiche (In Paumgartners Konzept scheinen die Fächer Geographie, der Philosophische Einführungsunterricht und die Werkerziehung nicht auf; bemerkenswerter Weise führt er auch den Tanz nicht an):

1.Bereich: Religion, Sprachen und Geschichte

Sprachen:

a) Quelle die alten Kultursprachen Latein[51] und Griechisch[52]

b) Italienisch, Französisch ( Englisch, Russisch als Wahlfächer)[53]

Geschichte wird dominierendes Fach; Akzent auf Geistesgeschichte, den Grundkräften und den schöpferischen Persönlichkeiten

2. Bereich: Die praktischen Fächer Mathematik, Biologie, Physik und Chemie

3. Bereich: Die eigentlichen musischen Fächer Musikerziehung, Bildnerische Erziehung, Dichtkunst , Literatur, Theater…

4. Bereich: Körperbildung (Rhythmik, Gymnastik, Geräteturnen, Schwimmen, Skilauf, Fechten, eventuell Reiten; Sportspiele)

Das Internat wäre die beste äußere Form einer solchen musischen Anstalt.


* Hofrat Degenhardt, Hofrat Weinkamer und Albin Reiter danke ich für die in Gesprächen mit mir geleistete Erinnerungsarbeit und die mir zur Verfügung gestellten Materialien, womit sie mein Vorhaben, Licht in das Dunkel der Gründungsgeschichte unserer Schule zu bringen, unterstützt haben; Koll. Josef Reiter danke ich für sein mir geduldig zur Verfügung gestelltes Wissen auf dem Gebiet der Textverarbeitung, mit dem er mir (bisher Computer-Analphabet) bei der Anfertigung des Textes immer wieder ausgeholfen hat.

[1] so Gareis in seiner Salzburger Dissertation „Der Schulversuch „Musisches Gymnasium“ 1966 – 1976. Darstellung und Kritik, 1978, S 39; Paumgartners „Prolegomena zur Idee eines Musischen Gymnasiums“ sind (gekürzt) abgedruckt in den Salzburger Nachrichten vom 31. 12. 1964 und 2. 1. 1965; wenn aus den Prolegomena im Folgenden zitiert wird, dann nach dem ungekürzten Abdruck im Jahresbericht des BG III 1993/94, S. 19ff; Paumgartner hatte die in den Prolegomena geäußerten Überlegungen und Vorschläge zum ersten Mal nach der Wiedererichtung der 2. Republik bereits in einem Aufsatz aus dem Jahre 1948 in der Österreichischen Musikzeitschrift , 3. Jahrgang, Heft 2, S. 33-40 vorgelegt.

[2] Auf diesem Weg sind in Salzburg so klangvolle Schulnamen entstanden wie das „Europa-Gymnasium“ (ein Klassenzug am Akademischen Gymnasium und am BG Nonntal) oder das“ Eurotec-Gymnasium“ (ein Klassenzug am BRG). Bei allem Verständnis für die einsetzende Profilierungseuphorie wird man der Tatsache Rechnung tragen müssen, dass der Gestaltungs- bzw. Akzentuierungsspielraum relativ gering ist und es wird bald die Frage gestellt werden, ob die aufgebauten Marken die Gebrauchswertversprechen einlösen können, welche die klangvollen Etikette ausstrahlen.

[3] Es ist wohl kein Zufall, dass genau diese demokratiepolitisch bedenkliche Anfangspassage beim Wiederabdruck in den Salzburger Nachrichten (Silvesterausgabe 1964/65) einer „Kürzung“ zum Opfer fiel.

[4] Die Stelle, die von den Salzburger Nachrichten ebenfalls nicht abgedruckt worden ist, lautet im Original der Prolegomena (a.a.O., S. 21): “Nie wäre die phantastische Aufsteigerung des blendenden Ungeistes zur Tollhausorgie einer aus den Angeln geratenen Welt möglich geworden, hätte nicht das verführerische Schlagwort vom „Zeitalter der Technike“ und der Spezialisierungsdrang um die Jahrhundertwende die Menschheit immer mehr zu einem überdimensionierten Geschäfts-und Produktionsbetrieb gemacht und sie der insektenhaften Unerbittlichkeit der Maschine ausgeliefert. Immer mehr fühlte sich die kritische Gegenkraft des Geisters ausgeschaltet. Längst schon war die humanistisch umfassende Bildung in Verruf gekommen.“

[5] im Allgemeinen kam den Musikern unter den Künstlern diese Rolle nicht zu; im Gegenteil: die Musik trug wie die anderen gleichgeschalteten Bereiche auch zur Systemstabilisierung bei; vgl. dazu Joseph Wulf, Musik im Dritten Reich 1989; abstrakt einbekanntes humanistisch-musisches Ethos, mit dem Paumgartner gar die kulturelle Erneuerung Europas betreiben will, und konkrete Verdrängungsarbeit bezüglich der jüngsten Geschichte Österreichs schließen sich jedenfalls in seinem Verständnis von „Sittlichkeit“ nicht aus; weder 1948 bei der Erstveröffentlichung der Prolegomena (Fn 1) noch bei ihrem wortidenten Wiederabdruck 1959 (Fn 8) und in den Salzburger Nachrichten 1964/65 (Fn 1) äußerte sich Paumgartner zur Rolle der Künstler im Dritten Reich.

[6] In den Prolegomena (a.a.O. , S. 2o) formuliert Paumgartner: „Wir in Österreich müssten uns der unanfechtbaren Tatsache bewusst bleiben, dass wir [. . .] in der Welt unseren Rang immer wieder auf geistigkulturellem und künstlerischem Gebiet bewährt und betont haben. Hier liegt unsere besondere Begabung, unsere Tätigkeit, unser Kredit, unsere Stärke.“   Paumgartners Essay ist in dieser Hinsicht nicht anderes als die Paraphrase eines Musikers auf die schon unmittelbar nach Kriegsende von dem Literaten Alexander Lernet – Holenia in der Zeitschrift Der Turm (November/Dezember 1945) publizierte Äußerung und in Österreich verbreitete Einstellung: „In der Tat brauchen wir nur dort fortsetzen, wo uns die Träume eines Irren unterbrochen haben, in der Tat brauchen wir nicht voraus-, sondern nur zurückblicken [. . .], wir sind, im besten und wertvollsten Verstande, unsere Vergangenheit [. . .]. Auch das Ausland wird kein eigentlich neues, es wird, im Grunde, das alte Österreich von uns erwarten.“ Die auch bei Paumgartner spürbare Flucht vor einer Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit, eine Haltung, von der er seit der ersten Veröffentlichung der Prolegomena im Jahre 1948 (Fn 1) kein Jota abrückte (wortidenter Wiederabdruck 1959 (Fn 8) und 1964/65 (Fn 1), war in den 50er Jahren ein Bestandteil der österreichischen Kulturpolitik und wurde damals unter dem Motto der „austriakischen Renaissance“ auf breiter Basis organisiert; erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an Heimito von Doderer, der ein knappes Jahrzehnt nach Lernet-Holenia mit seinem berühmten Sager vom „Anschluss an die Tiefen der Zeit“ (zit. nach Kerschbaumer, Begnadet für das Schöne. Der rot-weiß-rote Kulturkampf gegen die Moderne 1992, S. 227) im Rückblick auf 1945 und die folgenden Jahre den Erfolg dieser Verdrängungsarbeit verkünden konnte; vgl. zu dieser Art der Nichtbewältigung der Vergangenheit auch die Habilitationsschrift des Salzburger Germanisten Karl Müller mit dem dafür bezeichnenden Titel „Zäsuren ohne Folgen. Das lange Leben der literarischen Antidmoderne Österreichs seit den 30er Jahren“ (Salzburg 1990). Der im selben Zusammenhang von Paumgartner aus der angeblich natürlichen Begabung des österreichischen Menschen und der Ausstrahlung der österreichischen Kulturlandschaft abgeleitete und postulierte Missionsauftrag („Neuverjüngung“ Europas durch Österreich) ist eine Wiederbelebung der sog. Österreich-Ideologie, mit der man in der Zeit des Ständestaates vergeblich versucht hatte, einen staatlichen Souveränitätsanspruch gegenüber den nationalsozialistischen Anschlussforderungen zu begründen; vgl. dazu Klaus Amann, Die Brückenbauer. Zur „Österreich“-Ideologie der völkischnationalen Autoren in den dreißiger Jahren. – In: Klaus Amann u. Albert Berger (Hrsg.): Österreichische Literatur der dreißiger Jahre 1985, S. 6Off; demnach war auch in der Österreich-Ideologie die grenzüberschreitende Blut- und Bodenphilosophie dieser Jahre wirksam.

[7] Kerschbaumer a.a.O. S. 47 bzw Aktenvermerk und Korrespondenz des Amtes des Reichsstatthalters in Österreich/Archiv DDr. O. Rathkolb

[8] „ Musische Bildung und Musikerziehung“, in: Musikerziehung 1959, Jg 13, S. 71; große Teile der Prolegomena sind in ihm wortident enthalten.

[9] Genau dazu passt, dass Gareis a.a.O. S. 39 unter dem Stichwort „ Gefahr der pädagogischen Provinz“ in der Ausnützbarkeit der musischen Erziehung durch Vertreter einer Ideologie (er führt ausdrücklich auch den Nationalsozialismus an) keine systemimmanente Schwäche dieser Erziehungsphilosophie und die Schuld für die gelungene Indienstnahme des musischen Menschen ausschließlich bei den Verführern sieht; man wird hier die Frage stellen müssen, ob nicht eine bestimmte Ausprägung der musischen Erziehung (Beschränkung der Weltsicht auf Kulturelles, Weltabgehobenheit… ) deren Anfälligkeit für eine politische Indienstnahme bedingt; eine Konsequenz dieser Erkenntnis wäre es, den musisch begabten Schüler auch zu einem bewusst in politischen Dimensionen denkenden und verantwortlich handelnden Menschen zu erziehen, wie dies die Zielnorm des österreichischen Schulrechts auch anstrebt.

[10] vgl. seine „Erinnerungen“ a.a.O., S.128 – 141; auf insgesamt 13 Seiten schildert Paumgartner mit großer Genauigkeit seine wissenschaftlichen Erfolge, ohne ein einziges Mal darüber zu reflektieren, was die nichtmusische Menschheit damals existentiell betroffen hat; in den Prolegomena äußert sich dieselbe Beschränkung der Weltsicht auf das Kulturelle bei der Charakterisierung der italienischen Renaissance, in der er das für die musische Erziehung so vorbildliche „Ideal des weltläufig gebildeten Menschen“ aus all seinen sozialgeschichtlichen Zusammenhängen (Auseinandersetzung des Frühkapitalismus mit dem sich langsam auflösenden Feudalismus) herauslöst und damit als ahistorische, unveränderliche Kategorie darstellt.

[11] Zu den weniger edlen Freuden zählt Paumgartner in den Prolegomena übrigens den Swing oder den „Quarterfilm“. In den 5Oer Jahren entsetzte sich die offizielle Kulturpolitik Salzburgs über den Jazz, den die noch dazu Englisch sprechenden Schwarzen aus den USA mitgebracht hatten. Ressentiments dagegen wurden vehement und lange geäußert. Die Zuordnung dieser Kulturleistung und des Ausdrucks von Lebensfreude – im übrigen vermisst man in Paumgartners Bildungskonzept des Musischen den Tanz – auf die Ebene der Termiten-Menschen ist alles andere als philanthropisch. Mit der Abwertung des Swing ist Paumgartner freilich nicht mehr ganz auf der Höhe seiner Zeit, wie ein Blick in die Zeitschrift „Musikerziehung“ 1959, in der der zitierte Aufsatz Paumgartners erschienen war, zeigt. In ihr gibt es Vorankündigungen und Kritiken zu allen möglichen musikalischen Aufführungen. Mit großer Sebstverständlichkeit wird hier neben den Werken mit kanonischer Geltung ein Jazzkonzert besprochen; dieses fand allerdings in Wien statt. Antiamerikanismus und ein gegen die Moderne gerichteter Geist hielten sich eben in Salzburg länger.

[12] in seiner Dissertation a.a.O. S.39; Gareis (zur Zeit der Einrichtung des Schulversuchs Professor am BG II) konnte sich dabei freilich auf Degenhardt (Fn 13) berufen; auch in den Quellen, die Gareis für seine Arbeit nicht heranzieht, zB die lokale Presse nach der Einrichtung des Schulversuchs ( SN v. 12. 2. 1966, S.5 und v. 23. 3. 1966, S. 19; Salzburger Volksblatt v. 29. 3. 1966, S. 8 (Artikel v. A. Strauß); SN v. 19. 11. 1966, S. 4 (Artikel v. G. Neureiter) ist immer wieder die Formel von den „Ideen Paumgartners“ zu lesen, die „jetzt von initiativen Gymnasialpädagogen verwirklicht werden“; abweichend und differenzierter die Darstellung in der Salzburger Volkszeitung v. 2. 4. 1966, S. 3, wo mit Bezug auf die Gründung davon gesprochen wird, dass sich die Ideen Paumgartners mit denen der um eine Reform bemühten Gymnasialpädagogen „getroffen“ hätten; im Bericht von H. Gottas in der Salzburger Vokszeitung v. 5. 7. 1968, S. 8 wird Paumgartner nur im Zusammenhang mit der Namensgebung erwähnt.

[13] A. Degenhardt: Der Schulversuch eines musischen Gymnasiums, in: Pädagogische Mitteilungen, Jg. 1968, 2.Stück , S. 33; differenzierter zur Rolle Paumgartners in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1986 (Zitat unten Fn 20)

[14] Geschichte Salzburgs. Hrsg. v. H. Dopsch und H. Spatzenegger Bd II Neuzeit und Zeitgeschichte 3. Teil. Salzburg 1991, S.170

[15] Gareis a.a.O. , S. 61

[16] nach Laireiter ist Paumgartner ein Anreger neben anderen; einer davon sei auch Waggerl gewesen; Zitat siehe Fn 25

[17] solche gab es beispielsweise im sog. Salzburger kulturpolitischen Arbeitskreis dieser Jahre, einer losen Gruppe von Intellektuellen und Künstlern, in der auf verschiedene Weise im Hintergrund versucht worden ist, die Geschicke des musischen Gymnasiums positiv zu beeinflussen; zu diesem Arbeitskreis gehörte neben dem späteren Schulinitiator Adolf Degenhardt u.a. auch K. Stuppäck, S. Soucek, F. Welz und der Kulturchef der Salzburger Nachrichten Max Kaindl-Hönig; zu seiner Rolle unten S. 17.

[18] Wortlaut der Klarstellung unten FN 22

[19] vgl. unten S.1o

[20] Degenhardt (1986) spricht in seinem Geleitwort zum 20jährigen Bestand des Musischen Gymnasiums (Jahresbericht des BG III 1985/86, S. 4) von einem „erheblichen Auffassungsunterschied“ zwischen den Zielvorstellungen Paumgartners und denen der Gründungsväter; wie mir Hofrat Degenhardt in einem Gespräch mitgeteilt hat, ist seitens der Gründungsväter in keiner Phase daran gedacht worden, Paumgartner zu den Beratungen über den zu errichtenden Schulversuch beizuziehen; die Prolegomena sind nach Degenhardt (Reiter und Weinkamer) auch nie Gegenstand einer Diskussion gewesen; nach der Erinnerung von Albin Reiter ist der Inhalt des Textes aber „geistig präsent“ gewesen; vgl. dazu die Spuren einer Beschäftigung mit Paumgartners Prolegomena in Kaforkas Bildungszielformulierungen (siehe Fn 27). Da Degenhardt diese klare Abgrenzung in seinem Aufsatz aus dem Jahre 1968 (Zitat oben Fn 13), in dem er davon spricht, dass das Musische Gymnasium nach Ideen von Paumgartner ins Leben gerufen worden ist, (noch) nicht vornimmt, musste sich Gareis dadurch in seiner Identitätsannahme bestätigt sehen.

[21] erkennbar bereits 1919 in einem Vortrag in der Akademischen Arbeitsgemeinschaft (Selbstverlag, S. 8); in der heute bekannten Begrifflichkeit in einem Aufsatz aus dem Jahre 1948 (Zitat Fn 1), in den berühmten Prolegomena 1959 oder in einem Aufsatz im selben Jahr in der Zeitschrift „Musikerziehung“ Jg 13(1959), S. 69ff jeweils in nicht unwichtigen semantischen Differenzierungen im Hinblick auf die Adressaten. In seinen ersten Überlegungen zu einem musischen Gymnasium nach dem 1. Weltkrieg gehören „Musiker und künstlerisch ausgerichtete junge Leute“ zu seiner Klientel (a.a.O., S. 70); im Musikerziehungs – Aufsatz 1959 sind es neben den angehenden Musikern alle „kunstbegabten jungen Leute“ (a.a.O., S. 79), und in den Prolegomena im selben Jahr (a.a.O., S. 22) erweitert er den Kreis auf alle, denen „eine nach geistesgeschichtlichen und kunstanschaulichen Prinzipien gelenkte humanistische Bildungsanstalt näher liegt als realwissenschaftliche Kenntnisse [. . .], wenn sie wirklich die Berufung zu dieser Bildungsform nachzuweisen vermögen.“ Es ist wohl nicht ganz auszuschließen, dass die Erweiterung des Kreises der angehenden Musiker und Darstellenden Künstler um die interessierten „Laien“ nicht nur von einer gewissen philanthropischen Großzügigkeit, sondern auch von der Sorge diktiert ist, überhaupt eine Klasse mit einer bestimmten für eine Schulgründung repräsenstativen Schülerzahl zusammenzubringen; diese Sorge scheint angesichts der von Paumgartner breit ausgeführten Probleme des Künstlernachwuchses, sich auch für seine Allgemeinbildung zu interessieren und die dann gegebene Doppelbelastung in Kauf zu nehmen (vgl. dazu Paumgartners Aufsatz in der Zeitschrift Musikerziehung a.a.O., S. 76f ), berechtigt.

[22] Die Gründungsväter bzw die Direktion des BG II hatten in einem offiziellen Schreiben vom 17. Mai 1965 drei Wochen vor Beantragung des Schulversuchs durch den LSR, wohl zur Absicherung, dass ihr Schulversuchskonzept nicht in eine dem LSR verdächtige Nähe zum Paumgartnerkonzept der „organischen Angliederung an das Mozarteum“ gebracht werden kann, klargestellt, dass „jede Verbindung mit anderen Institutionen abgelehnt“ wird und „dieser Typ und seine Träger [. . .] so unabhängig bleiben (sollen) wie die anderen Typen im Rahmen der Gesetze“; Degenhardt (1968) zufolge wollte Paumgartner einen solchen Schultyp dem von ihm geleiteten Mozarteum „einbauen“; im bereits zitierten Aufsatz Paumgartners in der Zeitschrift Musikerziehung a.a.O.S. 78 ist von einer „unmittelbaren Verbindung“ des musischen Gymnasiums mit „unseren Kunstanstalten“ die Rede. In der Erprobungsphase des Schulversuches kam es zu einem Abkommen zwischen der Direktion der Schule und dem Mozarteum, in dem für Schüler beider Anstalten Erleichterungen geschaffen worden sind (Befreiung vom Chor und Orchester; Stundung der Prüfungen aus den Nebenfächern bis nach der Reifeprüfung (so Gareis a.a.O., Anmerkung 106); in dieser Vereinbarung wird die inhomogene Interessenlage bei der Institutionalisierung des Schulversuches für eine bestimmte Zeit spürbar; man darf in ihr eine Art Realisierung der von Paumgartner angestrebten Verbindung des Musischen Gymnasiums mit dem Mozarteum für eine Handvoll Schüler erblicken.

[23] Bernhard Paumgartner. Künstler und Forscher. Ehrenpromotion an der Philosophischen Fakultät der Universität Salzburg am 14. 11. 1967. Salzburg 1971, S. 15 bzw. 34; Gareis hat es verabsäumt, diese leicht zugängliche Schrift einzusehen; er hätte aber eigentlich auch im von ihm zitierten und ausgewerteten Aufsatz von Degenhardt a.a.O., S. 33, der Pfligersdorffers bzw. Paumgartners Aussagen inhaltlich bestätigt, auf dieses für die Schulgeschichtsfrage wichtige Faktum stoßen und spätestens an dieser Stelle die Haltbarkeit seiner Vaterschaftsthese überprüfen müssen; Gareis hätte auch auffallen müssen, dass Paumgartner in seinem Aufsatz aus dem Jahre 1968 (Zitat Fn 51, den er ebenfalls zitiert, die Einrichtung des (von seinem Konzept abweichenden) Schulversuchs mit keinem Wort erwähnt; angesichts dieser Umstände ist es amusant und für die Mythenbildung in der Schulgeschichtsschreibung bezeichnend, wenn Gareis a.a.O., S. 41 hervorhebt, dass sich Paumgartner „der Direktion und dem Lehrkörper gegenüber nie darüber beklagt (hat), dass nicht alles, was unseren Schulversuch betraf, nach seinen Vorstellungen ablaufen konnte.“ Vielleicht steckt hinter der „Ungewöhnlichkeit des Vorhabens“ die von Wien verweigerte Übernahme der finanziellen Kosten für einen angesichts der zu erwartenden kleinen Klasse unverhältnismäßig hohen Sach- und Personalaufwand.

[24] Italienisch und Französisch sind nach Paumgartner die „dem Musischen zunächst zugewandten Fächer“.

[25] Der frühere Präsident des Landesschulrates für Salzburg Hofrat Dr.Matthias Laireiter bringt diese Differenz (zum nicht ausrücklich angeführten Paumgartnerkonzept) in seinem Festvortrag vom 8.11.1975 a.a.O.S. 38 auf folgende Formel: „Ziel (des Musischen Gynmasiums) ist nicht die Ausbildung zum Künstler oder Kunstausübenden. Das Musische Gymnasium ist keine Fachschule zur Heranbildung von Musiklehrern, keine Bildhauer-, keine Malerschule, keine Schule für Darstellende Kunst und ähnliches. Was wir wollen, ist kunstempfängliche und kunstliebende Menschen zu erziehen, die fähig sind, sich mit den künstlerischen Erscheinungen der Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzusetzen.“ Ähnlich auch Degenhardt im Jahresbericht des BG III 1985/86, S. 34: „Das musische Gymnasium will nicht künftige Künstler heranbilden, wenn es auch für diese der geeignete Schultyp sein dürfte.“ Nach Gareis a.a.O., S. 39 stellte sich Paumgartner in erster Linie den späteren Künstler, den Anwärter für künstlerische Berufe als seine Schülerklientel vor; seine Schule sollte aber auch den nichtkünstlerischen Schülern offenstehen, die ein Interesse an dieser Schulform nachweisen können. Gareis fällt trotz der starken Gewichtung auf der Komponente „Bildungsweg eines angehenden Künstlers“ die Divergenz des Paumgartnermodells zu dem, was im Musischen Gymnasium angestrebt und verwirklicht worden ist, nicht auf.

[26] Auflistung und kurze Beschreibung der Richtungen, von denen Gareis annimmt, dass sie einen Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung des Schulversuchs gehabt haben, a.a.O, S. 41; vgl. auch Laireiter a.a.O.S 38, der in Paumgartner einen „Anreger“ neben anderen sieht.

[27] In den im Anhang von Gareis Dissertation abgedruckten Bildungszielentwürfen aus der „Inkubationszeit“ enthält der Entwurf Kaforkas zwei für die inhaltliche Ausgestaltung unbedeutende Zitate aus den Prolegomena; der an den LSR vom 10. Mai 1967 und der Text nach einem Vorschlag von A. Strauß vom 19. 11. 1970, der vom LSR gebilligt worden ist und bis zum Schuljahr 1975/76 die Grundlage für den Schulversuch gewesen ist, keine Formulierungsanleihe aus den Prolegomena .Bis zur endgültigen Festlegung des Wortlautes in der Fassung der Verordnung vom 20.7.1976 ( BGBl. 577/76 ) musste, wie Gareis a.a.O., S. 61 festhält, auf Forderungen der Schulbehörde nach einer klaren und nüchternen Ausdrucksweise noch manche poetische Redewendung abgeändert werden; man wird nicht fehlgehen, wenn man das auch auf die Paumgartnerzitate in den Entwürfen zu den Bildungszielen bezieht.

[28] Gareis a.a.O, S. 57 bzw. Formulierungsvorschlag an den LSR vom 10. Mai 1967

[29] An diesem Befund würde auch die unten angedeutete Eventualität ( vgl. Fn 43) nichts ändern, dass einige im Kreise der Gründungsväter aus den genannten Gründen der Meinung waren oder sind, mit dem Musischen Gymnasium die Ideen B. Paumgartners verwirklicht zu haben; für diesen Fall ergäbe sich folgende wenig rühmenswerte Variante der Schulgründungsgeschichte. In treuer Pflichterfüllung gegenüber dem Zielparagraphen des österreichischen Schulrechts hätte man dem Schulversuchskonzept solange den Geist des neuen demokratisch verfassten Rechtsstaates eingeblasen, bis dieses von den Initiatoren unbemerkt mit dem Paumgartnermodell nur mehr den Namen gemeinsam gehabt hat. Kein Widerspruch zu der oben festgestellten Abstandnahme ist das Interesse der Direktion, als es nach der Einrichtung des Schulversuches und seiner Bewährung um die Schulstandortfrage ging, an einem Gebäude in der unmittelbaren Nähe des Mozarteums; der Plan , Räume im alten Borromeum zu beziehen, scheiterte aber, weil das Mozarteum diese Räume selber benötigte; vgl .Gareis a.a.O., S. 209

[30] Degenhardt (1968) a.a.O. , S. 33

[31] Paumgartner selbst hat durch die wiederholte und missverständliche Verwendung des Namens „Musisches Gymnasium“ (1968 publizierte er nach 1948 und 1959 zum fünften Mal innerhalb von zwei Jahrzehnten in verschiedenen Medien den Prolegomena-Text; vgl. dazu auch unten die Fn 51 – 53) der Ausbildung dieses Mythos Vorschub geleistet. Aus Gründen der Redlichkeit hätte er spätestens im Jahr 1968 auf die inhaltliche Divergenz beider musischer Konzepte hinweisen müssen. Bezeichnend für diese Art der Schulgeschichtsschreibung ist ein weiterer Versuch von Gareis, die Schulgründung mythologisch zu überhöhen; nach seiner Ansicht konnte die Errichtung eines musischen Gymnasiums nur in Salzburg erfolgen und zwar im Zusammenhang mit der angeblich einmaligen geistig-kulturellen Atmosphäre der Stadt, worin man unschwer das Nachwirken des im 19. Jahrhunderts vorbereiteten und zur Zeit der Gründung der Salzburger Festspiele ausformulierten „Salzburg-Mythos“ erkennen kann (vgl. dazu Walter Weiss, Salzburger Mythos? Hofmannsthals und Reinhardts Welttheater. – In: Staat und Gesellschaft in der modernen österreichischen Literatur. Hrsg. v. Fr. Aspetsberger 1977, S. 5ff). Der Versuch, an einem hehren, zur kulturkonservativen Erneuerung Europas geschaffenen Mythos auf der Ebene einer gewöhnlichen Schulgründung zu partizipieren, wirkt angesichts der von Gareis seitenweise dargestellten bereits existierenden musischen Sondertypen (siehe auch Fn. 45) erheiternd, ist aber im Hinblick auf die von Paumgartner erhoffte Ausstrahlung der humanistisch-musischen Bildung („Neuverjüngung“ Europas durch Österreich; vgl. Fn 6) sachlogisch nachvollziehbar.

[32] mit ethischen Fragen im Zusammenhang mit den Prolegomena befasst sich Koll. Szigeti; sein Aufsatz „Einige Gedanken zum Begriff des Musischen in den Prolegomena von B. Paumgartner“ ist in diesem Jahresbericht abgedruckt.

[33] in den Prolegomena (a.a.O. , S. 23) heißt es: „Geistig möchte es (das musische Gymnasiium) dort seinen Standpunkt beziehen, wo die geistig führenden Männer (!) Österreichs immer gestanden sind, nennen wir Grillparzer, Stifter, Hermann Bahr, Hofmannsthal, Stephan Zweig, um verständlicher zu werden.“

[34] Die turbulenten Jahre der Bewährung des Schulversuchs bis zur verdienstvollen Abwehr seines drohenden Endes 1975 und der Überführung des Schulversuchs in das Regelschulwesen im Schuljahr 1976/77 sind in Gareis Dissertation dokumentiert; Gareis streicht allerdings die Mutation des Reformgymnasiums, welches unsere Schule im Jahrzehnt des Schulversuchs gewesen ist, zu einem Sondertyp des Gymnasiums mit all den bekannten positiven wie negativen Begleiterscheinungen und damit das Abweichen vom Konzept der Gründungsväter zu wenig deutlich heraus; nach Weinkamer ist diese Mutation von der Schule nie angestrebt worden. Nach seinem Urteil stieß die Philosophie des Reformgymnasiums spätestens zum kritischen Zeitpunkt des Ablaufs der Schulversuchsphase nach 10 Jahren im Ministerium insgesamt auf Unverständnis und man hat sich, damit die Ideen der musischen Erziehung und Bildung in irgendeiner Form weiterleben konnten, der Mutation zu einem Sondertyp beugen müssen. Um den Unterschied zwischen dem Reformgymnasium der Schulversuchszeit und dem heutigen Sondertyp klarzumachen, sei darauf hingewiesen, dass die musischen Kernfächer Bildnerische Erziehung und Musikerziehung in den Schulversuchsjahren nur in der 1. , der 7. und der 8. Klasse mit mehr Stunden ausgestattet waren als in der Regelschule und das Wahlpflichtfächer- bzw Schwerpunktfachsystem   in allen Jahrgangsstufen erst mit der Verwandlung zum Sondertyp 1976/77 eingeführt wurde.

[35] Daten und Zusammenhänge der bildungspolitischen Entwicklung dieser Jahre sind, auf den letzten Stand gebracht, gut dokumentiert bei Lorenz Lassnig, Bildungsreform gescheitert [. . .] Gegenreform? In: Österreich 1945 – 1995. Gesellschaft Politik Kultur. Hrsg. v. R. Sieder, H. Steinert u. E. Talos, 1995, S. 458 ff.

[36] Es müsste einer eigenen , hier nicht zu leistenden Untersuchung vorbehalten werden abzuklären, ob die in in diesen Jahren in der Fachwelt einsetzende Diskussion schon und auch als eine Reaktion auf die Favorisierung des naturwissenschaftlich-technischen Bildungsideals durch die offizielle Bildungspolitik gesehen werden kann oder in ihrer Frontstellung gegen die persönlichkeitsschädigenden Einflüsse der Technik den altbekannten Argumentationslinien folgt, wie dies bei Paumgartner der Fall ist.

[37] Die Salzburger Nachrichten veröffentlichten im ersten Halbjahr 1965 jeweils ganzseitige Leistungsschauen und Vorhabensberichte der Bundesländer; der Aufsatz des Salzburger Landeshauptmannes Dr. H. Lechner übertrifft die Darstellung seiner Kollegen hinsichtlich der Gewichtung der Sparte Kultur bei weitem.

[38] Landeshauptmann Lechner reagierte mit dieser Absichtserklärung auch auf die breit angelegte und argumentierende Forderung von Kaindl-Hönig in den Salzburger Nachrichten vom 17. Februar 1965 (auf der Titelseite); die Kunstakademie ist dann erst ein Jahrzehnt später errichtet worden.

[39] Lechner a.a.O., S. 3

[40] Adolf Degenhardt, Über die musische Erziehung zu einer ganzheitlichen Erziehung. – In: Jahresbericht des Bundesgymnasiums in Salzburg (das ist das spätere Akademische Gymnasium) 1957/58, S. 3 ff.

[41] Die Situation an den anderen höheren Schulen war, ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, nicht viel besser; eine positive Veränderung dieser für die musischen Fächer unbefriedigenden Situation war nach dem neuen SchOG bzw den neuen zu erstellenden Lehrplänen nicht zu erwarten; die starke Vernachlässigung der musischen Fächer war auch ein Motiv für die Akzentsetzung bei der Namenswahl des „Musischen Gymnasiums“; so H. Gottas in der Salzburger Vokszeitung v. 5. 7. 1968, S. 8.

[42] Albin Reiter hatte in diesen und den folgenden Jahren einen Lehrauftrag am Mozarteum und gute Kontakte zu Paumgartner; ohne die Verdienste anderer Kollegen schmälern zu wollen, müssen doch insbesondere die unermüdlichen und kräfteraubenden Leistungen Reiters im Rahmen seiner Chorleitertätigkeit und für die zahlreichen musikalischen Darbietungen hervorgehoben werden, denen man einen Großteil der für die Antragstellung so wichtigen Überzeugungskraft des musischen Erziehungs- und Bildungsgedankens verdankt.

[43] einige unter ihnen vermutlich mit einer gewissen Sympathie für Paumgartner und sein Anliegen, auch angehenden Künstlern eine musisch-humanistisch geprägte Allgemeinbildung zu ermöglichen; vielleicht auch einige, welche die Divergenz zu seinem elitären Künstlerkonzept nicht realisiert hatten, weil sie entweder die Prolegomena nicht oder nicht aufmerksam genug gelesen hatten oder auf Grund ihrer eigenen Prägung deren besonderen Gehalt gar nicht wahrnehmen konnten; diese sechs Personen werden auch in einer der ersten Darstellungen, in der Salzburger Volkszeitung v. 2. 4. 1968, S. 3, in einem Zusammenhang als Initiatoren genannt.

[44] Diese Einschätzung wird auch von Hofrat Erich Weinkamer, dem Direktor der Jahre 1980 bis 1988 und selber einer der Gründungsväter geteilt; in der Salzburger Volkszeitung v. 2. 4. 1966, S. 3 wird Degenhardt als „Motor“ des Schulversuchs bezeichnet.

[45] Dasselbe gilt auch für Karl Wolf, zu dieser Zeit Pädagogikprofessor an der Salzburger Universität und ebenfalls Mitglied im Bund Neuland. Wolf stellte sich daher gleichfalls in den Dienst der Sache, bemühte seine Beziehungen zu den Kultusministerien der deutschen Bundesländer und ließ den Gründungsvätern eine Liste mit den Beschreibungen in der BRD bereits existierender musischer Sondertypen zukommen.

[46] siehe auch die oben in Fn 22 festgehaltene Vereinbarung zwischen dem Mozarteum und der Direktion des BG II hinsichtlich bestimmter Prüfungserleichterungen für Schüler, die das Musische Gymnasium und das Mozarteum besuchten.

[47] so Degenhardt in seinem Geleitwort a.a.O. S. 4.

[48] beispielsweise beschrieb Sepp Käfer in der SN vom 9. 1. 1965 (S. 18) auf einer ganzen Seite die nach dem neuen SchOG möglichen Schullaufbahnen; am 5. , 10. und 21. Juni 1965 ging man zum Teil ausführlich auf die deutsche Bildungsplanung ein, die, wie die Schlagwörter „Bildungsnotstand“ und „Erfassung der Begabungsreserven“ zeigen, vor ähnlichen Problemen stand wie Österreich.

[49] Der Wiederabdruck der Prolegomena Paumgartners muss aber auch im Zusammenhang mit der Kunstakademie gesehen werden, auf deren Errichtung Kaindl-Hönig auch auf diesem Weg Einfluss zu nehmen versucht hat; der (gereinigte) Abdruck der Prolegomea hat im übrigen auch zu zwei Reaktionen geführt. Sepp Käfer (SN v. 8. 1. 1965, S. 7) monierte aus Unkenntnis über die angehenden Künstler als der eigentlichen Schülerklientel den Primat der italienischen vor der englischen Sprache und am 24. 2. 1965 (S. 7) berichtet der Direktor eines Wiener Gymnasiums von einem 1964/65 eingerichteten Schulversuch, der es angehenden Musikern ermöglichen sollte, sich neben ihrer Berufsausbildung an der Akademie auch eine höhere Allgemeinbildung anzueignen.

[50] so in Anlehnung an Hans-Ulrich Evers,Verfassungsrechtlliche Determinanten der inhaltlichen Gestaltung der Schule.- In: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd 12 (1977), S. 104 (114)

[51] in seinem 1968 verfassten Aufsatz in den Pädagogischen Mitteilungen „Die Möglichkeit der Errichtung eines musischen Gymnasiums“ (Stück 4, S. 30f), in dem er seine in den Prolegomena vertretenen Ansichten verknappt wiederholt, liest man als bisher nicht gehörte Legitimationsvariante, dass dieses Fach ein „ordnendes Medium für alle Phantasievollen“ sei.

[52] dieses Fach ist 9 Jahre später in dem oben zitierten Aufsatz bereits verzichtbar.

[53] 1968 hält er den Primat der italienischen Sprache als erster lebender Fremdsprache aufrecht, bietet Französisch oder Englisch als Wahl an und verzichtet auf Russisch (Paumgartner a.a.O., S. 3Of).